Pressemitteilungen
Gemeinsame Stellungnahme zur Maskenpflicht
Maskenpflicht und andere Kommunikationsbarrieren für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen in Zeiten von Corona
Der Cochlea Implantat Verband NRW e.V. (CIV NRW e.V.) und der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) NRW e.V. vertreten die Interessen der Hörbeeinträchtigten in NRW. Ihre Zahl wird in NRW auf 3,2 Millionen geschätzt.
Seit dem 27.4.2020 ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in zahlreichen Alltagssituationen auch in NRW verpflichtend. Bei Nichtbeachtung der Verordnung drohen Geldstrafen.
Es steht nicht zur Debatte, dass es zur Verringerung von Infektionsübertragung unabdingbar ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Dennoch stellt die Maskenpflicht Menschen mit Hörbeeinträchtigungen vor enorme Kommunikationsprobleme, weil sie das Mundbild des Gesprächspartners zum besseren Verstehen benötigen und die Stimmen durch den Stoff wesentlich gedämpfter und verzerrter ankommen. Die Gruppe der ertaubten und gehörlosen Menschen, die akustisch gar nichts verstehen, ist sogar vollständig auf das Mundbild angewiesen. Die Gebärdensprache ist für die Mehrzahl der lautsprachlich orientierten Hörbeeinträchtigten kein Ersatz für das fehlende Mundbild, da sie in der Regel genauso wenig gebärden können wie ihr Umfeld.
In einigen Bundesländern wird es schwerhörigen und gehörlosen Menschen bereits ermöglicht, dass ihr Gegenüber bei Einhaltung des nötigen Abstandes die Maske kurz zur Kommunikation abnehmen darf, ohne sich der Gefahr eines Bußgeldes auszusetzen.
Wir fordern gemeinsam von der Landesregierung NRW zu erlauben, dass beim Einhalten des Sicherheitsabstandes die Gesprächspartner von Menschen mit Hörbeeinträchtigung ihre Maske abnehmen dürfen, damit die Kommunikation möglich ist. Von Bußgeldern ist in solchen Fällen abzusehen. Hier ist Rechtssicherheit erforderlich.
Des Weiteren bitten wir um Verbreitung der Information, dass Kommunikation durch transparente Gesichtsvisiere (Face-Shields) oder Masken mit Sichtfenster ebenfalls regelkonform sind, die das Mundbild sichtbar machen und die Kommunikation für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen erleichtern. Diese empfehlen wir allgemein im medizinischen Bereich und vor allem dort, wo häufig mit Menschen mit Hörbeeinträchtigung kommuniziert wird wie Seniorenheimen (über die Hälfte der Menschen ab 70 ist statistisch gesehen schwerhörig) und bei Akustikern oder HNO-Ärzten.
Außerdem weisen wir darauf hin, dass in dringenden Fällen auch in Bereichen mit Besuchsverbot Gebärdensprach- und Schriftdolmetschern Zugang zu gewähren ist, wenn der Betroffene es benötigt.
Masken bedeuten für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen in zahlreichen Lebensbereichen eine erhebliche Kommunikationsbehinderung. Beim Einkaufen und im Nahverkehr mag man viele Gespräche mit Geduld meistern. Bei Arztbesuchen, im Krankenhaus und in Pflegeheimen ist die Informationsgewinnung massiv erschwert und das Recht auf Aufklärung über die Erkrankung und über Behandlungsalternativen gefährdet. In der Schule bereiten Masken z.B. auf Schulgängen oder gar im Klassenzimmer eine erheblich erschwerte Kommunikation sowohl für Lehrkräfte als auch Schüler mit Hörbeeinträchtigung.
Im Beruf wird Leistungsfähigkeit erwartet, die durch die erschwerte Kommunikation nun deutlich behindert werden kann. Wir bitten die Landesregierung, die Finanzierung oder ggf. Ausleihe von zusätzlichen technischen Hilfsmitteln zu unterstützen und den Anschaffungsprozess durch Inklusionsämter zu beschleunigen.
Der Cochlea- Implantat Verband NRW e.V. und der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. NRW weisen mit Nachdruck auf die durch die Maskenpflicht erhöhten Kommunikationsbarrieren für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen hin und hoffen auch in schweren Zeiten auf das einfühlsame Miteinander in der Gesellschaft. Durch Aufklärung, Verständnis und Rücksichtnahme kann die Inklusion von behinderten Menschen auch in der gegenwärtigen Krise gelingen.
Marion Hölterhoff Norbert Böttges
Vorsitzende CIV NRW e.V. Vorsitzender LV DSB NRW e.V.
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