Welche Lobbyisten im Bundestag ein- und ausgehen
Wirtschaftsinteressen haben ein Übergewicht
Hausausweise für den Deutschen Bundestag erlauben es Lobbyisten, jederzeit ein- und auszugehen, gemeinsam mit Abgeordneten in der Kantine zu essen und in deren Büros vorstellig zu werden. Normalerweise entscheidet die Verwaltung, wer einen solchen Ausweis bekommt, und vergibt ihn nur an Verbände und Vereine. Bis Ende 2015 gab es aber ein Schlupfloch: Auch die Fraktionen konnten Hausausweise vergeben. Daten über die von ihnen vergebenen Ausweise musste der Bundestag Ende 2015 nach einer Klage des Portals Abgeordnetenwatch.de herausgeben. Für Florian Spohr die einmalige Gelegenheit, einen Einblick in ein System zu gewinnen, das sonst unter Ausschluss der Öffentlichkeit arbeitet.
Er stellte fest, dass die Fraktionen keineswegs allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen gleichberechtigt Zugang zum Bundestag erlaubten. „Die Verteilung ist asymmetrisch zugunsten wirtschaftlicher Interessen“, fasst er zusammen. „Über die Hälfte der Interessensvertreter mit Hausausweisen waren Vertreter von Unternehmen, Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden.“ Gewerkschaften und andere öffentliche Interessengruppen hatten weniger als ein Fünftel der Hausausweise inne. Die CDU-Fraktion hatte mit 609 die meisten Ausweise ausgegeben, davon ein Drittel an Unternehmen. Die SPD-Fraktion hatte die meisten ihrer 152 Hausausweise an Stiftungen und Think Tanks vergeben, auf Rang zwei folgen Unternehmen und Wirtschaftsverbände.
Neue Akteure sorgen für mehr Intransparenz
Florian Spohr fiel außerdem auf, dass neuartige Akteure im Lobbyismus an Bedeutung gewinnen. Privatunternehmen, Stiftungen, Think Tanks, Agenturen und Kanzleien hätten über die Bundestagsverwaltung eigentlich keine Hausausweise bekommen dürfen, erhielten sie aber über die Fraktionen. „Das macht das ganze System intransparent“, bemängelt Spohr, „denn es ist nicht immer klar, wer hinter einer solchen Organisation steckt. Manche verschleiern ihre Interessen.“ Der Politikwissenschaftler hält eine stärkere Regulierung für notwendig, sieht aber auch ein Dilemma: „Da nach der geänderten Regelung seit Anfang 2016 Hausausweise wieder nur von der Verwaltung an Vereine und Verbände ausgegeben werden, die anderen Akteure aber weiterhin da und auch teils gefragte Gesprächspartner sind, droht sich das Lobbying in eine noch weniger kontrollierte Grauzone außerhalb der Parlamentsgebäude zu verschieben.“
Quelle: Ruhr-Universität Bochum
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