MedikamenteTherapie mit hochdosierten Medikamenten bringt keine Vorteile gegenüber Standardbehandlung
Bei einem Hörsturz hilft eine hochdosierte Therapie gängiger Medikamente nicht mehr als die Standardtherapie, ist aber mit mehr Nebenwirkungen verbunden. Das zeigte eine bundesweite Studie unter Leitung der Universitätsmedizin Halle. Dafür führte das Team eine systematische klinische Untersuchung mit über 300 Patient:innen durch.

Bild: MasterTux auf Pixabay

Die Ergebnisse im Fachjournal „NEJM Evidence“ werfen zudem die Frage auf, ob die bisherige Standardtherapie selbst überhaupt wirksam ist. Weltweit erleiden zurückhaltenden Schätzungen zufolge jährlich mehrere hunderttausend Menschen einen Hörsturz.

Bei einem plötzlichen Hörverlust ohne erkennbare Ursache, dem sogenannten Hörsturz, wird häufig medikamentös mit entzündungshemmenden Glukokortikoiden behandelt, die dem körpereigenen Kortison ähneln. „Bisher hat man vermutet, dass eine sehr hohe Dosis von Glukokortikoiden über einen kurzen Zeitraum insgesamt besser wirkt. Wir haben die Effekte einer solchen Behandlungsstrategie in der aktuellen Studie erstmals systematisch untersucht, mit der Standardtherapie verglichen und konnten dabei so viele Betroffene berücksichtigen wie noch nie“, erklärt Prof. Dr. Stefan Plontke, Studienleiter und Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie an der Universitätsmedizin Halle. Aus dem gesamten Bundesgebiet wurden 325 Patient:innen in 39 Behandlungszentren auf drei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe erhielt die bisherige Standardtherapie, zwei Gruppen eine deutlich höhere Dosierung. Anschließend hat man untersucht, inwiefern sich das Gehör nach 30 Tagen verbessert hat und welche Beschwerden auftraten.

„Eine höhere Dosis von Glukokortikoiden zeigte keine besseren Therapieerfolge gegenüber der Standardtherapie. Allerdings traten mögliche Nebenwirkungen wie beispielsweise erhöhte Blutzuckerwerte oder eine Verschlechterung des Bluthochdrucks häufiger auf“, fasst Plontke die Ergebnisse zusammen. Trotz sofortiger Therapie mit Glukokortikoiden bestanden in allen Gruppen bei den meisten Personen weiterhin Defizite. Selbst in der Gruppe mit der Standardtherapie, die nach 30 Tagen am besten abgeschnitten hatte, war bei 60 Prozent der Personen keine vollständige Besserung eingetreten. „Obwohl diese Medikamente seit 50 Jahren weltweit in der Hörsturz-Erstbehandlung zum Einsatz kommen, gibt es keinen belastbaren wissenschaftlichen Beweis für die Wirksamkeit. Ob die Therapie mit Glukokortikoiden wirksam, unwirksam oder schlechter als ein Placebo ist, müsste nun in einer Folgestudie untersucht werden“, erklärt Plontke. Grundsätzlich werden dringend weitere neue medikamentöse Therapiemöglichkeiten bei Hörsturz benötigt, so der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.

Die Studie werfe in der Fachwelt einige Fragen zum bisherigen Behandlungsstandard auf. „Aktuell gibt es kein Medikament, das spezifisch für die Hörsturz-Therapie zugelassen ist. Wir brauchen dringend mehr belastbare Daten, um Hörsturz-Betroffene wirksam zu behandeln“, betont Prof. Dr. Stephan Lang, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. Zur kommenden Jahrestagung der Fachgesellschaft im Frühjahr 2024 werden die Studienergebnisse und deren Bedeutung für den Praxisalltag in Essen diskutiert. „Ich bin gespannt, wie diese Ergebnisse aufgenommen werden“, so Lang.

Hintergrund

Weltweit sind 360 Millionen Menschen von einer Innenohrschwerhörigkeit betroffen. Eine häufige Ursache dafür ist ein Hörsturz, der plötzlich und ohne erkennbare Gründe auftritt. Oft ist nur ein Ohr beeinträchtigt, aber Ausmaß des Hörverlustes und Begleiterscheinungen wie Tinnitus und Schwindel können sich stark unterscheiden. Damit das Medikament in Tablettenform oder als Infusion in ausreichenden Mengen an den gewünschten Wirkort im Innenohr gelangt, wird es standardmäßig bereits in relativ hohen Dosierungen verabreicht. Alternativ können die Wirkstoffe auch hinter das Trommelfell gespritzt werden.

Die aktuelle Studie wurde im Rahmen einer Initiative des Deutschen Studienzentrums für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DSZ-HNO) angestoßen und durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit mehr als 1,9 Millionen Euro gefördert. Das DSZ-HNO ist ein Kooperationsprojekt der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC), dem Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e. V. (BVHNO), dem Deutschen Register Klinischer Studien (DRKS) und dem Studienzentrum der Universitätsmedizin Göttingen.

Quelle: Universitätsmedizin Halle

 

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