Gerade haben Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes der Länder mehr Gehalt und bessere Arbeitsbedingungen gefordert, darunter viele Pädagogen und Erzieher. Kitas blieben geschlossen, die öffentliche Diskussion nimmt Fahrt auf. „Wir sind es wert“ – so stand es auf den Plakaten. Die Forderung: eine höhere Eingruppierung in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. „Viele Kita-Mitarbeiter sind schlichtweg überlastet, das Pensum ist enorm“, sagt Prof. Dr. Timm Albers von der AG „Inklusive Pädagogik“ an der Universität Paderborn. Einer der Gründe dafür seien die steigenden Bedürfnisse der Kinder und damit die Anforderungen an das Personal.
Unter Albers‘ Leitung ist 2017 mit „InkluKit“ ein Projekt zur Förderung von Inklusion in Kindertagesstätten gestartet. Ziel ist die Entwicklung eines Curriculums für die Weiterbildung des Kita-Personals im Kontext von Vielfalt und Inklusion, das auch dazu beitragen soll, den Angestellten den Arbeitsalltag zu erleichtern. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützte Vorhaben wird aktuell in 12 Kitas durchgeführt und geht jetzt in die Umsetzung.
Um sich ein Bild von der derzeitigen Lage zu machen, hat das Team um Albers verschiedene Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg unter die Lupe genommen: „Wir haben bewusst keine Auswahlkriterien für die Tagesstätten festgelegt, die wir in unsere Studien einbezogen haben. Dadurch sollte ein möglichst repräsentativer Querschnitt gesichert werden“, erklärt Albers. Befragungen, Videoaufzeichnungen, kitaübergreifende Gruppeninterviews und Interviews mit den Leitungen ergaben: „Das theoretische Verständnis von Inklusion variiert – und damit auch das Handeln“, folgert der Bildungswissenschaftler. Viele der Befragten gaben außerdem an, sich überlastet zu fühlen. Was fehle, seien einheitliche und wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen in Form eines Curriculums.
„Inklusion ist mehr“
Der Inklusionsbegriff ist weit gefasst: „Häufig wird kategorisch zwischen Integration und Inklusion unterschieden, was dazu führt, dass die Begriffe ausschließlich in Bezug auf Menschen mit Migrationshintergrund und für Menschen mit Behinderung verwendet werden“, sagt Caroline Ali-Tani, Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei „InkluKit“. „Inklusion ist aber mehr.“ Bei dem Vorhaben gehe es deshalb insbesondere darum, Alltagsdiskriminierung zu minimieren. „Sei es aufgrund von Armut, Geschlecht oder Kultur. Ziel ist es, Unterschiedlichkeit anzuerkennen und auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes einzugehen.“ „Inklusion ist Wertschätzung“, ergänzt auch Albers. „In unserem Verständnis ist damit die Erhöhung von Teilhabe für alle Familien und das Minimieren von Diskriminierung und Stereotypisierung gemeint“, so der Wissenschaftler weiter.
Von der Theorie in die Praxis
Die Experten, zu denen auch Wissenschaftlerinnen der Evangelischen Hochschule Freiburg gehören, arbeiten an drei Schwerpunktthemen: Inklusion und Vielfalt, Partizipation, Vorurteile und Diskriminierung. Das Personal erhält Schulungen im Bereich der Fach-, Analyse-, Kooperations-, Reflexions- und Methodenkompetenz. Um laut Albers flexibel auf die individuellen Unterschiede reagieren zu können, soll aus der Studie allerdings kein Handbuch resultieren, das für alle Kitas gleich ist, sondern modular aufgebaute Richtlinien.
Die Teilnehmer des Curriculums erhalten zusätzliches Fachwissen, das sich idealerweise im Denken und Handeln niederschlägt. „Die größte Herausforderung ist aber die Weiterentwicklung des gesamten Teams und nicht die des Einzelnen. Neben dem reinen Wissenstransfer und inhaltlichem sowie methodischem Input gehört dazu auch eine Menge Sensibilisierungsarbeit“, sagt Ali-Tani.
Der Erfolg des Curriculums wird u. a. an der Professionalität des Handelns der Kita-Mitarbeiter gemessen, das jeweils vor und nach der Fortbildung untersucht wird. Dazu Ali-Tani: „Wir erforschen konkret, was sich durch die Fortbildung verändert, um das Curriculum empirisch abzusichern und gegebenenfalls auch noch anzupassen“. Im September 2020 soll das Vorhaben dann abgeschlossen sein und ein erprobtes Format vorliegen.
Quelle: Universität Paderborn