Nervenfortsätze im Hörzentrum unterscheiden sich in ihrer Form, je nachdem, auf welche Tonhöhe sie spezialisiert sind und wie schnell sie Signale weitergeben.

Die reizleitenden Fortsätze von Neuronen, die Axone, sind im zentralen Nervensystem der Wirbeltiere (also auch des Menschen) in der Regel myelinisiert, das heißt durch Fettschichten bildende Gliazellen isoliert. Diese Isolierung wird nur an den regelmäßig entlang der Axone auftretenden sogenannten Ranvier-Schnürringen unterbrochen. Nur an diesen Stelle können elektrische Aktionspotenziale aufgebaut werden. Die Aktionspotenziale „springen“ sozusagen über die isolierten Bereiche (die sogenannten „Internodien)“ von Schnürring zu Schnürring. Bislang ging man davon aus, dass die Geschwindigkeit, mit der die Aktionspotenziale entlang der Axone laufen (die Reizleitungsgeschwindigkeit), mit der Länge der Internodien zwischen den Schnürringen zunimmt. Ein Team um den LMU-Neurobiologen Professor Benedikt Grothe stellt dies nun zusammen mit Forschern am University College London in Frage. Über ihre fundamentale Erkenntnis berichten die Neurobiologen aktuell in der Fachzeitschrift Nature Communications.

Beim menschlichen Hören werden die von außen kommenden mechanischen Schwingungen in elektrische Impulse umgewandelt. Mit welcher Geschwindigkeit diese weitergeleitet werden, ist abhängig von strukturellen Besonderheiten der Axone. Dies ist vor allem für die Ortung von Schallen bedeutsam, da das schallzugewandte Ohr dasselbe Geräusch lauter und früher hört, als das schallabgewandte. Deshalb muss unser Gehirn diese minimalsten Zeitdifferenzen exakt verrechnen. Dafür sorgt ein komplexes Zusammenspiel von Nervensignalen, die über elektrische Aktionspotenziale zur zuständigen Schaltzentrale im auditorischen Hirnstamm weitergeleitet werden.

Die Forscher um Benedikt Grothe haben nun die überraschende Erkenntnis gewonnen, dass strukturelle Spezialisierungen der Ranvier-Schnürringe und der Internodien im auditorischen Stammhirn der Säuger eine wichtige Rolle bei der Feinabstimmung von Geschwindigkeit und Genauigkeit der Signalübertragung spielen.

Passgenaue Geometrie der Axone

„Wir haben strukturelle Unterschiede in der Myelinisierung von Axonen gefunden. Jene Axone, die am besten auf niederfrequente Töne reagierten, hatten größere Durchmesser, aber überraschenderweise kürzere Internodien“, sagt Grothe. Wie die Forscher in Simulationen zeigen konnten, trägt diese besondere Form der Axone dazu bei, die Geschwindigkeit bei der Signalübertragung anzupassen. Elektrophysiologische Aufnahmen bestätigten, dass Axone, die auf niederfrequente Töne reagieren, Signale schneller und genauer leiten.

„Unsere Ergebnis widerspricht auch der bisherigen Annahme, dass Axone mit derselben Funktion strukturell gleich sind und die Länge der Internodien stets proportional zum Durchmesser des Axons ist“, sagt Grothe. „Vielmehr scheint es systematische strukturelle Unterschiede zu geben, je nach dem Ursprung der Signale und ihren Ziel-Schaltkreisen im Stammhirn.“
(Nature Communications 2015)

Luise Dirscherl
Ludwig-Maximilians-Universität München

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