Spitze Bemerkungen

Es sind nicht etwa Pappkartons voller Münzen und Geldscheine mit der Post unterwegs, wenn bei internationalen Finanztransaktionen „Rettungspakete geschnürt“ werden. Ein Topf ist nicht im Spiel, wenn „Ausgaben gedeckelt“ werden, und beim „Stopfen von Milliardenlöchern“ spielt weder Strumpfwolle eine Rolle noch Klempnerwerkzeug. Solche Redewendungen sind nicht wörtlich gemeint. Sie sollen vielmehr abstrakte Zusammenhänge mit konkreten, einfachen und allgemein bekannten Handlungen vergleichen und so anschaulich machen. Die Linguistin Dagmar Schmauks legt eine umfangreiche Sammlung und Analyse vor.

 

„Metaphern“ nennt die Linguistik diese Sinnübertragungen. Prof. Dr. Dagmar Schmauks von der TU-Arbeitsstelle für Semiotik hat sich der Sammlung und Untersuchung von Redewendungen aus dem Bereich des Tastsinns, der sogenannten Haptik, gewidmet. Herausgekommen ist dabei ein vergnüglich zu lesendes Buch, das beweist, dass Wissenschaft keineswegs trocken, theoretisch und humorlos daherkommen muss, und das allen viele Erleuchtungsmomente schenkt, die sich mit Sprache beschäftigen.

„Solche Wendungen zeigen, wie wir unsere Umwelt begrifflich gliedern, um sie besser zu verstehen“, sagt die Linguistin. „Wir möchten sie regelrecht ,begreifen‘, einer kopflastigen Darstellung etwas Handfestes gegenüberstellen. Dabei geben wir der Handarbeit den Vorzug, um Dinge zu verstehen. Das zieht sich bis in die virtuelle Welt hinein, denn selbst unser Computer ,schaufelt Daten hin und her‘.“

Die Haut als Zeichen – kulturspezifische Unterschiede

So wird zunächst die gesamte Leistungsbreite des Tastsinns unter die wissenschaftliche Lupe genommen. Die Haut als Kontaktorgan wird genauer betrachtet, zwischen passivem Fühlen und aktivem Ertasten unterschieden, die eigene Haut und die Häute anderer Lebewesen angeschaut und schließlich sogar als Zeichenkomplex entlarvt. Denn beim Blick über den Tellerrand findet man mannigfaltige kulturspezifische Umgangsweisen mit der Haut. Bei uns erhalten Falten und Runzeln zum Beispiel Vergleiche aus der Pflanzenwelt („welke Haut“) oder sogar aus der Technik („Der Lack ist ab“).

Auch Körperhaltungen wie Sitzen, Knien und Liegen sind Zeichen. Sie zeugen von Dominanz und Demut, von Entspanntheit oder angstvoller Verkrampfung. Haltung muss „bewahrt“ beziehungsweise „ausbalanciert“ werden, man „verliert“ sie, kommt „aus dem Gleichgewicht“ oder „hängt in den Seilen“, ein Begriff aus der Welt des Boxens.

Die Analyse von Wortfeldern und Wendungen arbeitet heraus, dass bei der verbalen Veranschaulichung abstrakter Handlungen oder Gedanken der Rückgriff auf alte Handwerke und Berufe besonders ergiebig ist: ein Ziel anvisieren, treffsichere Argumente (Jagd), Zweifel säen, ein Forschungsfeld beackern (Ackerbau), Wortgefecht, Totschlagargument (Kriegshandwerk), Kontakte knüpfen, vernetztes Denken (Textilherstellung), Textbausteine, solide untermauerte Vorschläge (Bauwesen).

„Insgesamt verstehe ich das als tiefe Verbeugung vor den geschichtlich frühesten Tätigkeiten wie Jagen und Fischen, Säen und Ernten, Schnitzen und Weben“, so Dagmar Schmauks. „Sie haben unsere materielle Kultur begründet, geraten aber leicht in Vergessenheit, sobald Menschen kaum noch etwas selbst herstellen und oft in virtuellen Räumen unterwegs sind.“

Am Ende sollten die geneigten Leserinnen und Leser aber auch ungeschickt geprägte Metaphern erkennen und darüber lachen können, denn, so die augenzwinkernd ausgesprochene Warnung: „Jedes lustbetonte Schaffen kann leicht misslingen. So auch die Kreation neuer metaphorischer Wendungen. Nur zu leicht verzwirbelt man mehrere Metaphern leichtsinnig. Behauptet etwa jemand, ein Projekt sei ,mit der heißen Nadel gezimmert‘, so sollte man ihm klugerweise weder Textil- noch Holzarbeiten anvertrauen …“

Dagmar Schmauks: Spitze Bemerkungen und schwammige Argumente. Tastsinn und Handhabung in Redewendungen,

Stauffenburg-Verlag, Tübingen 2015, ISBN 978-3-95809-001-9

Text: Stefanie Terp - Technische Universität Berlin

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