BildanzeigeIm neuen Forschungsprojekt HörTrain entwickelt die Hochschule Landshut ein digitales Trainingsprogramm für Schwerhörende mit dem Ziel, den Betroffenen den Alltag zu erleichtern. Das Vorhaben ist im Fachbereich Ingenieurpsychologie angesiedelt, der sich mit dem Zusammenspiel von Mensch und Technik beschäftigt.
„Können Sie bitte lauter sprechen? Ich habe Sie nicht verstanden!“ Altersschwerhörigkeit gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Leben von Erwachsenen. Bleibt eine Schwerhörigkeit unbehandelt, kann sich das negativ auf verschiedene Aspekte des Lebens auswirken und die Lebensqualität beeinträchtigen. So empfinden Betroffene oftmals Frustration oder Scham, ziehen sich aus dem sozialen Umfeld zurück oder haben große Problem bei alltäglichen Aufgaben, wie z.B. beim Einkaufen, Arztbesuch und Telefonieren sowie in Gesprächssituationen mit mehreren Personen, beispielsweise in Restaurants oder bei Geburtstagsfeiern. Hier setzt das neue Forschungsprojekt HörTrain der Hochschule Landshut unter Leitung der beiden Professorinnen der Ingenieurpsychologie Dr. Bettina Williger und Dr. Nicole Maria Trübswetter an.

Bild: Martina Tyrach arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt HörTrain daran, die Lebensqualität von Schwerhörenden im Alltag zu erhöhen. Foto: Hochschule Landshut

Gemeinsam mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Martina Tyrach entwickeln sie ein digitales Trainingsprogramm für junge und alte Schwerhörende mit und ohne Hörgerät. Betroffene erlernen damit Anpassungsstrategien, die sie in ihren Alltag integrieren und dadurch ihre Lebensqualität steigern können. Der Vorteil dabei: Die Nutzerinnen und Nutzer können das Training selbständig durchführen, so dass kein geschultes Fachpersonal nötig ist. Das Projekt läuft bis Dezember 2026 und wird vom Bayrischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kultur mit über 296.000 Euro gefördert.

Hörhilfen nicht immer akzeptiert

„Die Wahrscheinlichkeit, an einer Altersschwerhörigkeit zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter“, erklärt Tyrach. So leiden 65 Prozent der über 60-Jährigen unter einem leichten Hörverlust, 25 Prozent sogar unter einem mäßigen oder schweren Hörverlust. „Dabei handelt es sich um einen schleichenden Prozess, sodass sich bereits bei Personen ab ca. 40 Jahren ein nachlassendes Hörvermögen zeigt.“ In den meisten Fällen erhalten schwerhörende Personen ein Hörgerät, nutzen dieses aber nicht immer im Alltag. „Aufgrund dieser teilweise mangelnden Akzeptanz von Hörhilfen gewinnen auditive Trainingsprogramme zunehmend an Bedeutung“, betont die Projektmitarbeiterin. „Mithilfe eines solchen Trainings erlernen Betroffene unter anderem Strategien, die ihnen den Alltag erleichtern, zum Beispiel: Ich suche mir im Restaurant bewusst einen Platz an der Seite, wo es leiser ist. Oder ich gehe zu bestimmten Zeiten in den Supermarkt, wann wenig los ist. Oder ich bitte um schriftliche Informationen, wenn ich einen Termin mit jemandem ausmache.“ Zudem erhalten Schwerhörende wertvolle Informationen zum Umgang mit Hörgeräten oder zur Schwerhörigkeit allgemein.

Finanzierungsprobleme und Fachkräftemangel bei Präsenztrainings

Solche Trainingsprogramme werden für Schwerhörende bereits angeboten, allerdings meist als Präsenztrainings bei ausgewählten HNO-Ärzten, Hörakustikern und Logopäden. Aufgrund der schwierigen Finanzierung von solchen Trainings und dem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen gibt es zu wenige Einrichtungen, die entsprechende Trainings anbieten und begleiten. Aktuell erhältliche digitale, selbst-administrierte Angebote (z.B. Apps) zielen hingegen oft auf die Konfiguration von Hörgeräten und weniger auf Strategien für den Alltag ab. „Ein digitales Trainingsprogramm, das Betroffene selbst-administriert durchführen können und das dem Selbstmanagement bei Altersschwerhörigkeit dient, gibt es in Deutschland bislang nicht“, beschreibt Tyrach die momentane Situation.

Vorteile eines digitales Trainingsprogramms

Ein großer Vorteil des geplanten digitalen Trainings liege darin, dass das Programm die Inhalte immer wieder an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer angleichen könne. Da sich auch die Bedürfnisse und Strategien der Betroffenen mit der Zeit verändern, soll das Programm adaptiv gestaltet sein. „Zudem unterscheiden wir bei dem Training beispielsweise zwischen Personen mit beginnenden und fortgeschrittenen Hörschwierigkeiten sowie zwischen Personen mit und ohne Hörhilfe“, so Tyrach weiter. Damit ist das Programm für eine breite Gruppe von Betroffenen geeignet und ermöglicht eine hohe Reichweite, unabhängig von der lokalen Versorgung.

Enge Zusammenarbeit mit Praxispartnern

Für die prototypische Umsetzung des Trainingsprogramms arbeitet das Projektteam sowohl mit Expertinnen und Experten (z.B. Hörakustikern, HNO-Ärzten und Hörgeräteherstellern) als auch mit Betroffenen zusammen. Hier profitiert das Projekt von einem breiten Netzwerk an Praxispartnern wie Hörakustik Reiser aus Nürnberg, dem Landesverband Bayern der Schwerhörigen und Ertaubten e.V. sowie der Sivantos GmbH. Im Fokus des Forschungsprojekts stehen eine zielgruppenorientierte Konzeption, Gestaltung, Implementierung und Evaluation des digitalen Trainingsprogramms. „Das heißt, wir berücksichtigen die Charakteristika und Bedürfnisse der potentiellen Nutzerinnen und Nutzer“, erklärt Tyrach. Dazu werden immer wieder Vertreter der Zielgruppe in die Bewertung und Weiterentwicklung des digitalen Trainingsprogramms eingebunden. Die Projektleiterinnen Trübswetter und Williger ergänzen: „In der Ingenieurpsychologie ist dies ein typisches Vorgehen, um die Benutzerfreundlichkeit und somit die Akzeptanz von technischen Produkten zu erhöhen. Das lernen unsere Studierenden von Anfang an sowohl in den Vorlesungen als auch in selbst durchgeführten Experimenten.“ Schließlich gehe es in der Ingenieurpsychologie darum, technische Produkte, und Systeme und auch Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie vom Menschen schnell, sicher und ohne Mühe beherrscht werden können. Und das klappt nur, wenn die späteren Nutzer in die Entwicklung eingebunden werden.

Feedback von Betroffenen erwünscht

Aktuell sucht das Projektteam noch schwerhörende Menschen mit und ohne Hörgerät, die erste Erfahrungen mit nachlassendem Hörvermögen im Alltag erleben oder bereits vom Arzt eine Schwerhörigkeit diagnostiziert bekamen und Interesse daran haben, die Forschenden bei der Entwicklung des Trainingsprogramms aktiv zu unterstützen. So testen Schwerhörende im Rahmen einer abschließenden Interventionsstudie voraussichtlich ab 2026 über einen Zeitraum von zwölf Wochen das digitale Trainingsprogramm, während das Projektteam die Ergebnisse hinsichtlich Akzeptanz und möglicher Effekte für die Lebensqualität evaluiert. „Wir hoffen auf eine rege Beteiligung und freuen uns über alle, die hier mitmachen möchten“, so Tyrach, „je mehr sich hier einbringen, umso besser können wir unser Programm am Ende evaluieren und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe anpassen.“ Interessierte können sich hierzu gerne unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. melden.
Quelle: Hochschule Landshut

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