Neuron Hand tuned svgLMU-Studie an Mäusen zeigt: Axone (Nervenzellfortsätze, die Impulse weiterleiten), die regelmäßig stimuliert werden, geben Leistungssteigerungen nicht an ihre Nachbarn weiter.

Im Gehirn sorgt ein komplexes Geflecht von Nervenfasern und Synapsen für die Weiterleitung von Informationen. Wird eine Nervenzelle angeregt, gibt sie Signale in Form elektrochemischer Impulse weiter, die über die Membran langer Nervenzellfortsätze, sogenannter Axone, verlaufen. Wie schnell diese Informationsübertragung funktioniert, hängt von verschiedenen Faktoren wie beispielsweise dem Durchmesser des Axons ab.

Bild: Quasar Jarosz, Eine Nervenzelle mit zwei verzweigenden Massen an beiden Enden. An einem Ende befindet sich im Inneren des Körpers der Zellkern. Die vielen Verzweigungen der Masse an diesem Ende sind die Dendriten. Zum anderen Ende der Nervenzelle führt ein langer Fortsatz, das Axon. Es wird von der Myelinscheide ummantelt, die von den Schwann-Zellen gebildet wird. Zwischen diesen Zellen befinden sich Zwischenräume, die Ranvier-Schnürringe. Die kleinere Masse mit weniger Verzweigungen wird als Axonterminale bezeichnet.

Für Wirbeltiere, bei denen das vergleichsweise große Gehirn in einem massiven Schädelknochen eingeschlossen ist, spielt ein weiterer platzsparender Mechanismus eine große Rolle: die sogenannte Myelinisierung. Dabei handelt es sich um den Aufbau einer Biomembran, die sich um das Axon wickelt und die Geschwindigkeit der Erregungsleitung erheblich beschleunigt. Je dicker diese Myelinscheide ausgebildet ist, desto schneller die Übertragung.

Die Myelinscheide oder Markscheide ist eine lipidreiche Schicht, die bei Wirbeltieren die Axone mancher Nervenzellen umgibt. Sie wird gebildet aus der myelinhaltigen Zellmembran von Gliazellen, die zu mehreren nebeneinander den Fortsatz der Nervenzelle umwickeln. Durch die Myelinscheide sinken Leitwert und Kapazität der Nervenzellmembran, was die besonders schnelle saltatorische Erregungsleitung ermöglicht.

„Die Myelinisierung ist integraler Bestandteil der neuronalen Verarbeitung im Wirbeltiergehirn, aber die Mechanismen der Anpassungsfähigkeit von Myelin sind noch nicht umfassend geklärt“, sagt Dr. Conny Kopp-Scheinpflug, Neurobiologin am Biozentrum der LMU. Sie ist Leiterin einer kürzlich im Fachmagazin Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichten Studie, die neue Erkenntnisse über die Prinzipien der Myelinisierung liefert. Die Forschenden gingen dabei der Frage nach, wie sich sensorische Stimulation auf die Ausbildung der Myelinschicht auswirkt. „Wir wissen, dass Axone, die regelmäßig angeregt werden, über eine verstärkte Myelinscheide verfügen“, erklärt Dr. Mihai Stancu, Erstautor der Publikation. Regelmäßiges Training verbessere also die Übertragungsleistung. Unklar sei jedoch, ob diese Anpassung auf der Ebene der einzelnen Nervenfasern erfolgt, oder die Myelinisierung sich auch auf benachbarte, nicht stimulierte Axone in einem Faserbündel übertrage.

Um das herauszufinden, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die neuronale Aktivität von Mäusen. „Wir haben uns speziell das auditorische System angeschaut, weil es eine getrennte Aktivierung der linken und rechten neuronalen Schaltkreise ermöglicht“, erklärt Kopp-Scheinpflug. Dazu machte das Team die Labormäuse vorübergehend auf einem Ohr schwerhörig, indem sie es mit einem Ohrstöpsel verschlossen. So wurde über den Versuchszeitraum eine Seite akustisch stärker stimuliert als die andere. „Überraschenderweise enthielten alle von uns untersuchten Nervenbündel im Gehirn sowohl Axone die Information vom rechten Ohr übermitteln, als auch solche die Informationen des linken Ohrs weitergeben“, so Stancu. Die künstlich erzeugte einseitige Schwerhörigkeit ermöglichte es den Forschenden deshalb, ihre Hypothese zu überprüfen.

Das Ergebnis: In den gemischten Nervenbündeln waren nur die Myelinscheiden derjenigen Axone verstärkt, die zum aktiven Ohr gehörten. Das Training des einen Ohrs übertrug sich neuronal also nicht auf das andere, selbst wenn die entsprechenden Nervenfasern dicht beieinander lagen. „Es scheint das Prinzip zu gelten: Jedes Axon trainiert für sich allein“, meint Kopp-Scheinpflug. „Die Aktivität des einen Input-Kanals kann also die Defizite des anderen nicht ausgleichen.“ Die Autorinnen und Autoren schließen daraus, dass eine vielseitige sensorische Erfahrung während der gesamten Lebensspanne eines Menschen von zentraler Bedeutung ist. „Wer kognitiv fit bleiben will, sollte sein Gehirn also möglichst vielseitig trainieren.“

Originalpublikation:
Mihai Stancu, Hilde Wohlfrom, Martin Heß & Conny Kopp-Scheinpflug: Ambient sound stimulation tunes axonal conduction velocity by regulating radial growth of myelin on an individual, axon-by-axon basis. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2024. https://doi.org/10.1073/pnas.2316439121

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München
Bild: Quasar Jarosz

CIV NRW e.V

CIV NRW Logo

Cochlea Implantat Verband Nordrhein-Westfalen e.V. (CIV NRW)
(Regionalverband für NRW der DCIG e.V.)
Geschäftsstelle: Alleestr. 73, 58097 Hagen
Telefon: 02331 1884601
Beratungstermine nach Vereinbarung unter: info@civ-nrw.de -

CIV NRW News online
ist die  Onlineversion der Zeitschrift des
Cochlea Implantat Verbandes NRW e.V.,
CIV NRW News - Chefredaktion:
Marion und Peter Hölterhoff
Redaktion:
Karina Manassah, Veronika Albers und freie Autoren
Korrektorat: Christel Kreinbihl
Medizinische Beratung:
Prof. Dr. med. Jonas Park, Dr. Elmar Spyra, Peter Dieler
Anzeigen/ Akquise:
Michaela Hoffmann michaela-hoffmann@civ-nrw.de
CIV NRW News online- ViSdP:

Peter G.A. Hölterhoff, Rosenstr 4 58642 Iserlohn
© Cochlea Implantat Verband NRW e.V.
Alle Rechte vorbehalten - Alle Angaben ohne Gewähr

Mit Aufruf der folgenden Links werden Daten an die Netzwerke übertragen und dort verarbeitet.
Facebook: https://www.facebook.com/CIV.NRWNews - Twitter:    https://twitter.com/CIV_NRW - Instagram:  https://www.instagram.com/civnrw/
WEB-Layout: Peter G.A. Hölterhoff
Sie können uns unterstützen über Gooding oder eine
direkte Spende hier online
Bankverbindung: Volksbank Hohenlimburg
IBAN:DE30 4506 1524 4001 2313 00,
BIC: GENODEM1HLH

Veranstaltungskalender

Wir benutzen Cookies
Bitte beachten Sie, dass einzelne Funktionen unserer Website möglicherweise nicht funktionieren, wenn Sie die Verwendung von Cookies deaktiviert haben.