– subjektive Einschätzungen zu Hörerfolgen und Herausforderungen
Nach dem Spracherwerb entstandene, hochgradige Hörverluste im Alter haben erhebliche Auswirkungen auf die Kommunikationsfähigkeit und beeinflussen die Lebensqualität, soziale Aktivität, Selbstständigkeit sowie die psychische und physische Gesundheit der betroffenen Personen. Durch den demografischen Wandel und die höhere Lebenserwartung steigt die Anzahl an Personen mit erworbenem Hörverlust kontinuierlich. Schwerhörigkeiten im Alter können bisher nicht kausal behandelt werden, sodass – neben der Lärmschutzprävention – der technischen und therapeutischen Hörrehabilitation eine große Bedeutung zukommt.
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Weltweit sind schätzungsweise 65% der Menschen über 60 Jahre von einem Hörverlust unterschiedlichen Schweregrads betroffen. Für diese Menschen wird die Versorgung mit Hörhilfen, z. B. Hörgeräten und Cochlea-Implantaten (CIs) empfohlen, um den Hörverlust auszugleichen und die hörbezogene Teilhabe in alltäglichen Situationen zu verbessern. Bei einer Indikation für ein CI bestehen keine Altersgrenzen bei Erwachsenen, sofern die Voraussetzungen für eine CI-Versorgung und Operationsfähigkeit gegeben sind. Diese sind insbesondere ein eingeschränktes Sprachverstehen trotz optimierter Hörgeräteversorgung sowie die Bereitschaft und Kapazität, am umfassenden CI-Versorgungsprozess nach der Operation teilzunehmen. Dementsprechend kommen CIs auch bei älteren, nach dem Spracherwerb ertaubten Personen zum Einsatz. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland etwa 1.203 Menschen über 65 Jahre mit einem CI implantiert, was einen nicht zu unterschätzenden Anteil von etwa 30% aller CI-Versorgungen ausmacht .
Verschiedene Studien belegen, dass sich die Hörschwelle, das subjektive Verstehen und das Sprachverstehen von postlingual ertaubten, älteren Menschen durch die Versorgung mit einem CI verbessern.
In den meisten Fällen verbessern sich das subjektive Wohlbefinden und die Lebensqualität durch die Versorgung mit einem CI. Ebenfalls gibt es positive Auswirkungen einer CI-Versorgung auf depressive Symptome und erlebte Einsamkeit. Darüber hinaus gibt es Hinweise darauf, dass die meisten älteren Menschen mit CI anderen Betroffenen ebenfalls eine CI-Versorgung empfehlen würden. Erste Studien deuten darauf hin, dass sich die Ergebnisse von kognitiven Tests bei älteren Personen durch eine CI-Versorgung positiv beeinflussen lassen. Ein CI kann bei älteren Menschen außerdem Tinnitus-Symptome vermindern.
In den letzten Jahren stieg die Anzahl der CI-Versorgungen im höheren Alter an und in der Forschung wurde dieser Zielgruppe mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Aufgrund bisheriger Forschungsergebnisse lässt sich annehmen, dass ältere Menschen durch ein CI in vielerlei Hinsicht deutlich profitieren können. Allerdings wurde der subjektiven Wahrnehmung von Erfolgen und Herausforderungen der Patienten im Rahmen der Basis- und Folgetherapie bisher wenig Beachtung geschenkt.
Wir berichten über eine Arbeit, in der Patientendokumentationen einer Stichprobe von 22 Personen der Kölner Uniklinik aus den Jahren 2017–2019 mittels qualitativer Inhaltsanalyse rückblickend untersucht wurden. Es handelte sich um Patienten, die ab dem 70. Lebensjahr einseitig mit einem CI versorgt wurden und auf dem anderen Ohr ein Hörgerät nutzten. Ausgewertet wurden sowohl die audiometrischen Daten aus der Ton- und Sprachaudiometrie als auch persönliche Angaben zum subjektiv erlebten Hörerfolg und Handhabung der Hörtechnik.
Aus den Ergebnissen geht hervor, dass das Sprachverstehen nach der Operation gemessen mit dem OLSA (Oldenburger Satztest) in Ruhe sowohl in der Gesamtgruppe als auch als Einzelperson besser war als das Ergebnis vor der Operation.
Mindestens die Hälfte der Personen waren mit ihrem CI teilweise oder vollständig zufrieden. Der überwiegende Anteil der Personen trug den Sprachprozessor während des gesamten Tages. Das Sprachverstehen in Gruppen, im Störschall, beim Telefonieren, beim Fernsehen und das Musikhören stellte die meisten Personen laut eigener Einschätzung jedoch vor größere Herausforderungen. Auch im Umgang mit dem technischen Zubehör zeigten einige Personen Unterstützungsbedarf. Ein umfassendes Bild über die sozialen Kontakte der befragten Personen mit CI ließ sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht abbilden. Es deutete sich jedoch an, dass die Entwicklung des Sprachverstehens mit CI von alleinlebenden Personen als erschwert wahrgenommen wurde.
Den Dokumentationen und ärztlichen Briefen wurden entnommen, welches Zubehör die Patienten besitzen und welche Angaben sie zur Handhabung und zum Einsatz des Zubehörs im Alltag machten. Bei 19 Personen war dokumentiert, dass sie Streaming-Geräte sowie Mikrofone besitzen. Außerdem hatten einige Personen zur Bedienung ihrer Sprachprozessoren eine App auf dem Smartphone installiert. Seltener waren auch Nackenschleifen und Audiokabel vorhanden.
Die Hälfte der betrachteten Personen berichtete nach sechs Monaten, dass sie sicher mit ihrem technischen Zubehör umgehen könne. Jedoch gaben mehr als 20% der Stichprobe an, dass sie auch nach sechs Monaten die Zusatzgeräte im Alltag nicht einsetzten. Bei den Personen, die ihre Geräte verwendeten, wurde besonders häufig von der Verwendung beim Fernsehen berichtet. Seltener wurde angegeben, dass ein Zusatzgerät als Mikrofon oder zum Streaming von häuslichem Hörtraining eingesetzt wurde. In den Akteneinträgen war vermerkt, dass viele Personen zunächst oder auch durchgehend Schwierigkeiten im Handling des technischen Zubehörs hatten und hier häufig Unterstützung benötigten. Nicht alle konnten bzw. wollten das Zubehör dann auch weitergehend im Alltag nutzen.
Aus den Ergebnissen dieser Untersuchung lassen sich klare Hinweise darauf ableiten, welche Erfolge und Herausforderungen ältere Menschen nach einer CI-Versorgung erleben. Da das Sprachverstehen in Gruppengesprächen, bei Störgeräuschen, Mediennutzung sowie das Telefonieren von vielen Personen als herausfordernd eingeschätzt wurde, besteht hier zusätzlicher Unterstützungsbedarf. Im Hörtraining sollte daher neben dem Sprachverstehen in Ruhe, bei Störgeräuschen und in Gruppen auch das Telefonieren und die Musikwahrnehmung trainiert werden. Auch die Verwendung von Zusatzgeräten könnte für ältere Personen in herausfordernden Situationen im Alltag hilfreich sein. Mögliche Anwendungsbereiche sind hier die Nutzung eines zusätzlichen Mikrofons oder die Übertragung von Audiosignalen, um den Ton für Filme, Fernsehen und Musik zu verbessern. Damit dies sicher gelingt, ist das Üben der Handhabung des Zubehörs in der Basis- und Folgetherapie gerade bei älteren Personen, die wenig Technikerfahrung mitbringen und ggf. Hemmungen haben, die Technik im Alltag einzusetzen, wichtig. Außerdem ist es notwendig, vor einer CI-Versorgung mit den Patienten im Vorgespräch zu erläutern, in welchen Situationen das Sprachverstehen erfahrungsgemäß auch mit einem CI zunächst oder gar langfristig schwierig sein könnte – basierend auf den Erfahrungen anderer Personen.
Im Bereich der CI-Versorgung älterer Menschen sind weitere prospektive Studien notwendig. Für die Entscheidung für ein CI sowie die Therapieplanung wäre es wichtig herauszufinden, welche Faktoren die Entwicklung des Sprachverstehens und die Zufriedenheit sowie hörbezogene Lebensqualität mit dem CI beeinflussen. Die Ergebnisse dieser Studie unterstreichen, dass der Erfolg einer CI-Versorgung nicht allein anhand audiometrischer Messungen z. B. des Sprachverstehens bestimmt werden kann. Dies spiegelt sich bereits in aktuellen Leitlinien und Forschungsausrichtungen wider. Hier bedarf es mehr partizipativer Forschung und der Beachtung subjektiver Einschätzungen der Patienten, z. B. indem die hörbezogene Lebensqualität und weitere Aspekte des Alltags begleitend erfragt werden. Auch die Entwicklung und Evaluation von Konzepten, die das Sprachverstehen in besonderen Situationen alltagsnah trainieren oder die Handhabung und Akzeptanz von Technik unterstützen, sollte in zukünftigen Forschungsprojekten erreicht werden – bei zunehmender Anzahl an CI-Patienten in einem fortgeschrittenen Alter.
Anmerkung der Redaktion: Die Technikseminare des CIV NRW e.V. (siehe: https://www.civ-news.de/termine) vermitteln Wissen zu der Technik und erklären die Bedienung und Handhabung der Geräte.
Es kann festgestellt werden, dass ein erheblicher Beratungs- und Hilfsbedarf besteht, der u.a. auch von den CI- Selbsthilfegruppen und -verbänden geleistet wird.
Anpassung: Peter Hölterhoff
Originalpublikation: © 2023 Pützer et al.
Elena Pützer - Universität zu Köln, Deutschland; Universitätsklinikum Köln, Deutschland Barbara Streicher - Universitätsklinikum Köln, Deutschland
Ruth Lang-Roth - Universitätsklinikum Köln, Deutschland
Karolin Schäfer - Universität zu Köln, Deutschland
GMS Z Audiol (Audiol Acoust) 2023;5:Doc06