Christiane BüttnerAktuelle Studie zeigt: Menschen grenzen andere nicht beliebig, sondern strategisch aus
Menschen grenzen Menschen aus – Aus welchen Gründen und in welchen Situationen Menschen andere ausschließen, hat Juniorprofessorin Dr. Selma Rudert in einem Team aus Forscherinnen und Forschern der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) und der Universität Basel untersucht. Das Ergebnis: Menschen grenzen andere Personen aus, die sich ihrer Ansicht nach unangemessen verhalten oder entbehrlich für die Ziele der Gruppe sind – und das durchaus strategisch.

Foto:  Christiane Büttner 



Das Forschungsteam untersuchte die Gründe für Ausgrenzung in fünf Experimenten und zwei Befragungen mit insgesamt über 2.000 Teilnehmenden. In den Befragungen berichteten die Teilnehmenden eigene Erfahrungen in der Rolle der Ausgrenzenden sowie der Ausgegrenzten. In den Experimentalstudien sollten die Teilnehmenden eine Gruppe für eine darauffolgende Aufgabe zusammenstellen und hatten die Möglichkeit, zuvor eine Person aus der Gruppe auszuschließen.

„Wir konnten in allen Studien zwei zentrale Motive identifizieren, warum Menschen andere Personen ausgrenzen“, erklärt Sozialpsychologin Rudert. Erstens werden Gruppenmitglieder eher ausgeschlossen, die dazu neigen, Regeln zu brechen und sich nicht an die Normen der Gruppe halten. Zweitens werden Personen, die nicht mit der Leistung der Gruppe mithalten können und dadurch die Gruppenziele gefährden, oft als entbehrlich angesehen und ebenfalls ausgeschlossen.


Menschen grenzen andere strategisch aus


„Ein bedenklicher Befund der Studien ist, dass sich oft eine Mehrheit der Teilnehmenden für ausgrenzendes Verhalten entschied, wenn es den Zielen der Gruppe dienlich war“, so Rudert. Es gibt jedoch auch vereinzelte Lichtblicke: Viele der Teilnehmenden handelten strategisch in ihren Entscheidungen und grenzten nicht einfach beliebig alle Menschen aus, die aus irgendeinem Grund anders waren. Der Kontext spielte hier eine entscheidende Rolle: So wurden Personen, die leistungsschwach, aber sehr kooperativ waren, seltener ausgeschlossen, wenn für eine anstehende Aufgabe die Bedeutung der gemeinsamen Zusammenarbeit relevanter war als die Leistung. Umgekehrt wurden wenig kooperative, aber leistungsstarke Personen seltener ausgeschlossen, wenn die Gruppenaufgabe auf Leistung anstatt auf Zusammenarbeit ausgerichtet war.

In den aktuellen Studien hat sich das Forschungsteam auf bewusste Ausgrenzungsentscheidungen fokussiert, die Menschen zum Wohl der Gruppe treffen. „Es können allerdings auch andere Motive zum Tragen kommen“, betont Rudert. So können Menschen auch aus eigennützigen Gründen ausschließen, beispielsweise, weil sie ihre eigene Position in der Gruppe durch die andere Person als bedroht erleben. „Und in vielen Situationen liegt überhaupt kein klares Motiv vor“, so Rudert. Menschen grenzen andere auch unbewusst oder versehentlich aus, weil sie die Person schlichtweg übersehen oder nicht an sie gedacht haben.

Die aktuelle Studie ist eine Erweiterung in der Forschung zur sozialen Ausgrenzung, in der Rudert und ihre Kolleginnen und Kollegen einen neuen Fokus auf die Motive der Ausgrenzenden legen. Bisherige Forschung zu Ausgrenzung konzentrierte sich oftmals auf das Erleben der ausgegrenzten Person und nicht auf die Frage, warum es überhaupt zur Ausgrenzung kommt. „Dieser Aspekt ist allerdings wichtig, um das Phänomen der sozialen Ausgrenzung zu verstehen und ihr entgegenwirken zu können“, unterstreicht Rudert. In vorangehenden Studien konnten die Forschenden zeigen, dass Persönlichkeit ein wichtiger Risikofaktor für soziale Ausgrenzung ist. Wenig verträgliche und unzuverlässige Menschen werden mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgegrenzt


Soziale Ausgrenzung kann verringert werden

Die Studie biete wichtige Impulse für die Arbeitswelt und Schulen, so die Wissenschaftlerin – zwei Bereiche, in denen viel Ausgrenzung stattfindet. „Eine entscheidende Erkenntnis unserer Forschung ist, dass soziale Ausgrenzung in Gruppen nicht unvermeidlich ist“. Sie kann verringert werden, indem man die Bedingungen ändert, die ausgrenzendes Verhalten in einer bestimmten Situation fördern. Beispielsweise können externe Stressfaktoren wie hoher Zeitdruck oder Wettbewerb soziale Ausgrenzung fördern, weil Gruppen in diesem Fall auf eine hohe Leistung aller Mitglieder angewiesen sind. Wird der Stress verringert, ermöglicht dies Gruppen, schwächere Mitglieder zu unterstützen, anstatt sie auszuschließen. In sozialen Gruppen, Freundeskreisen oder Familien lässt sich Ausgrenzung vermindern, indem unterschiedliche Meinungen, Entscheidungen und Lebensweisen akzeptiert sowie konstruktive Meinungsverschiedenheiten zugelassen werden. „Dies erlaubt es Menschen, die unbeliebte Meinungen äußern oder nicht der Norm entsprechen, dennoch Teil der Gruppe zu bleiben“, erklärt Rudert.

Quelle: Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau

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