Live - Fernanpassung bei der Fa. auric in Herne
Immer mehr ertaubte Menschen erhalten ein Cochlea Implantat. In NRW sind es bereits ca. 16000, in Deutschland ca. 50000. All diese Menschen müssen lebenslange Nachsorge erhalten. Wie ist die Menge an Patienten zu bewältigen? Die Fa. auric aus Rheine entwickelte bereits 2008 zusammen mit dem Deutschen HörZentrum der MHH das Remote – Fitting – System (aRFS). Über direkten Datentransfer finden die Nachjustierungen des CIs statt. Diese Fernanpassung hat sich mittlerweile etabliert. Die Patienten haben nicht mehr die weiten Wege zur MHH, sondern können in einem der Remote-Fitting-Centren von auric wohnortnah angepasst werden. Unterstützt durch eine Telefon- und Videoverbindung, kann eine Fernabstimmung der Geräte in der auric Filiale vor Ort durch die Techniker in Rheine vorgenommen werden.
Bild: (v.r.) Marion Hölterhoff, Britta Tesch, Stefan Beuker und Olaf Delker (im Monitor zu sehen) - Foto: Peter Hölterhoff
Im Februar erhielten die CIV NRW News die Möglichkeit, an einer solchen Fernanpassung in der Filiale in Herne teilzunehmen. Stefan Beukert und André Nüßen nahmen uns freundlich in Empfang. Für die Live-Anpassung stand uns Britta Tesch zur Verfügung, bei deren Anpassung wir dabei sein durften. Ihre Hörbiografie ist ein weiteres positives Beispiel, wie eingreifend eine Cochlea Implantation das Leben eines Menschen verändern kann.
Britta Tesch war von Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, erhielt aber erst mit fünfeinhalb Jahren Hörgeräte. Ihre Kindheit beschreibt sie als sehr isoliert, Versuche mit normalhörenden Kindern in Kontakt zu kommen, scheiterten oft. Sie entwickelte eine enorme Hemmschwelle, auf Normalhörende zuzugehen, war immer unsicher und beschreibt sich selbst graue Maus. Ihre schulische Laufbahn absolvierte sie in einer Hörgeschädigten Schule.
Erst 2014 erhielt sie im Februar rechts und im November links ihre CIs. Der Beginn ihrer Hörreise war aufgrund ihrer langen extremen Schwerhörigkeit ein harter und oft auch tränenreicher Kampf. Sie hörte auf einmal Dinge, die sie in ihrem ganzen Leben noch nie gehört hatte, die sie nicht einordnen konnte und die ihr auch Angst machten. Es waren z.T. grausame Töne, alles klang wie eine Blechtrommel. Nach vier Jahren kam der große Durchbruch. Auf einmal verstand sie viel mehr, die Worte wurden klarer. Ab da begann ihre große Verwandlung, die sie selbst als alte und neue Britta beschreibt. Aus der unsicheren, gehemmten Britta, für die andere oft die Kommunikation übernehmen mussten, wurde die selbstbewusste, mutige Britta. Die, die für sich selbst spricht, die den Mut entwickelte, auf andere zuzugehen, sie anzusprechen. Ein weiterer sehr positiver Effekt ist, dass sich ihre Aussprache sehr verbessert hat. Für sie hat mit den Erfolgen mit dem CI ein neues Leben begonnen.
Aber zurück in die Filiale in Herne. Nachdem eine stabile Leitung aufgebaut war, konnte Olaf Delker von Rheine aus mit der Nachjustierung beginnen. Die ganze Zeit bestand über den Computer Sichtkontakt zwischen dem Techniker und der CI Trägerin. Gleichzeitig konnte sie verfolgen, wie ihre MAP verändert wurde. Bei diesem Termin ging es darum, die Lautstärke anzuheben. Jede einzelne Elektrode wurde ausgetestet und angeglichen. Man hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass der Techniker nicht im Raum vor einem saß, sondern über 100 km entfernt in Rheine. Auch der Smalltalk, die Abfrage, nach dem Befinden und der Zufriedenheit kam nicht zu kurz. Zum Schluss wurde das Ergebnis im direkten Gespräch mit Herrn Beukert verglichen und auch ausprobiert, wie das Hören außerhalb des Raumes war. Zufrieden mit dem Ergebnis konnte die Nachjustierung abgeschlossen werden.
Die Versorgung mit Ersatzteilen, Beratung im Umgang mit der Technik usw. wird direkt in der Filiale geleistet. Natürlich finden hier auch die anderen Arbeiten eines Hörcenters statt.
Im letzten Jahr haben Olaf Delker und Julie Brandt über 800 Nachjustierungen von Rheine aus vorgenommen. Die Fa. auric verfügt über 25 Filialen, die das Remote-Fitting-System anbieten können. Voraussetzung ist eine stabile mindestens 16 Mbit/s schnelle gesicherte VPN-Verbindung, um eine störungsfreie und abgesicherte Anpassung gewährleisten zu können. In den Filialen Osnabrück, Herford und Stuttgart ist auch autarke Anpassung durch die Techniker vor Ort möglich.
Das Remote-Fitting-System bietet sich für Implantierte mit einer stabilen MAP an, bei denen es um die jährliche Kontrolle oder eine nötige Nachjustierung geht. Die Erstanpassung und die erste Nachsorge wird in der implantierenden Klinik (meist MHH) vorgenommen, die auch für die lebenslange Nachsorge verantwortlich ist. Sollten Probleme während der Anpassung auftreten, kann jederzeit ein Techniker der MHH über das Remote-Fitting-System hinzugezogen werden. Uns wurde dank auric und Britta Tesch ein interessanter Einblick in diese Technik gewährt.
Text: Marion Hölterhoff, Fotos/Video: Peter Hölterhoff