Du bist hörgeschädigt.
Bist du schon mal in einer Gefahrensituation gewesen und musstest von der Feuerwehr gerettet werden?
Warst du schon mal in einen Unfall verwickelt und musstest vom Rettungsdienst versorgt werden?
Wie war das für dich? Wie hat es mit deiner Hörschädigung "geklappt"?
Oder hast du dich schon mal gefragt "was wäre, wenn..."?
Ich habe an einer Katastrophenschutzübung teilgenommen und möchte euch darüber berichten.
Foto: Katja Bennemann
Die Feuerwehr Dortmund hat Anfang Mai eine (internationale, von der Europäischen Kommission geförderte) Übung veranstaltet, um den Umgang mit vulnerablen Personengruppen, die aufgrund von Behinderung, Alter, Krankheit und/ oder anderen Besonderheiten "zusätzliche" Bedürfnisse haben, zu üben. Das Besondere an der Übung war, dass real betroffene Menschen und nicht, wie sonst üblich nur Schauspieler, an der Übung teilnehmen durften. So waren auch 2 CI Trägerinnen vom CIV NRW e.V. dabei.
Simuliert wurde ein Gefahrenunfall, bei dem die beteiligten Personen gerettet und anschließend dekontaminiert werden mussten. Natürlich war alles, bis auf jede Menge Rauch fiktiv, aber recht realistisch nachgestellt. Wir Statisten "spielten", chic gestylt in Altkleidern, allerlei realistisch anmutende Verletzungen, Panikattacken, Kreislaufzusammenbrüche, etc.
Rauch zieht über das Einsatzgebiet. Die ersten Einsatzkräfte kommen an den Unfallort an. Sie sind mit ihrer Schutzausrüstung, Atemschutzgerät und Helm kaum zu verstehen. So verstehe ich nicht, was eigentlich passiert ist und wie ich mich nun zu verhalten habe. Die Gesten der Feuerwehrleute mit ihren riesigen Handschuhen wirken eher bedrohlich als beruhigend.
Bild: Rauch simuliert den Unfall, Foto: Katja Bennemann
Irgendwann werde ich zum Dekontaminationszelt geführt und dort an Einsatzkräfte, die in ihren orangefarbenen Schutzanzügen wie übergroße Michelinmännchen anmuten, übergeben. Immerhin haben diese Anzüge ein riesiges Sichtfenster, so dass ich anhand des Mundbildes wenigstens Bruchstücke verstehe. Nach einigen Erklärungsversuchen wird klar, dass ich alles, was kontaminiert ist, ausziehen und die Soundprozessoren meines Cochlea Implantats ablegen soll. Im Ernstfall wäre ich jetzt nackt und taub. Da wir aber für die Übung gut vorbereitet waren, hatten wir unsere Badeanzüge schon an, doch war ich auch bei der Übung jetzt wirklich vollständig taub!
Es geht unter die Dusche (immerhin ist das Wasser warm!!). Ich verstehe, dass ich mich ordentlich reinigen und die Haare waschen muss. Womit kann ich nicht verstehen, auch 30 Sekunden gestikulieren hilft da nicht. Ich fühle mich etwas hilflos.
Nachdem ich aber scheinbar ausreichend geduscht habe, werde ich an die nächste Station "weitergereicht". Hier bekomme ich ein Handtuch und meine Personalien werden anhand eines Formulars aufgenommen. Durch Zeigen auf die entsprechende Zeile ist dies schnell erledigt. Der Notarzt, der mich anschließend untersuchen soll, versteht nicht, warum er seine FFP 2 Maske abnehmen soll. Erst ein Kollege kann ihn überzeugen, die Maske abzunehmen. Sein dichter Bart darunter macht die Kommunikation für mich aber nicht einfacher. Er ist sichtlich froh, mich an seine Kollegin übergeben zu können. Sie weiß sich mit Zettel und Stift zu helfen und schreibt mir auf, dass ich aus der Übung entlassen sei.
Geschafft! Nach dem Ankleiden gibt es einen Erfahrungsaustausch in der Gruppe und ich bin erstaunt, wie unterschiedlich die Teilnehmenden die Situation wahrgenommen haben. Ich dagegen bin erschrocken, wie viele Informationen ich aufgrund meiner Hörschädigung verpasst habe. Die Hörschädigung wird im Gruppengespräch diskutiert, da andere Teilnehmer die Probleme während der Übung mitbekommen haben. Zum Glück war es nur eine Übung! Im echten Notfall wäre ich wahrscheinlich nicht so cool geblieben.
Insgesamt war die Übung sehr gut organisiert. Bereits im Vorfeld wurden die Teilnehmer sehr gut informiert und viele Fragen via Zoom und Mail beantwortet. Das internationale Betreuerteam vor Ort war sehr nett und hilfsbereit, die Stimmung unter den Teilnehmenden gut.
Ich bin gerne wieder dabei, wenn es darum geht, den Katastrophenschutz und den Umgang mit Menschen mit Handicaps zu verbessern.
Text und Fotos: Katja Bennemann für CIV NRW News online
Hintergrund:
Die Übung fand am 7. Mai in Dortmund statt und wurde von der Feuerwehr Dortmund und deren Zivilschutzausbildungszentrum organisiert. Bei der Übung, wurde der Austritt einer chemischen Substanz aus einem Güterzug in der Nähe eines Bahnhofs mit Hilfe einer Nebelmaschine simuliert. Der Unfall wurde so sehr realistisch gestaltet. Die Feuerwehr Dortmund konnte bei der Übung die Dekontaminierung bei einem Notfalleinsatz trainieren.
Freiwillige Zivilpersonen, die wenig bzw. überhaupt kein Vorwissen über CBRNe-Unfälle hatten übernahmen die Rolle der Opfer. Zu diesen Freiwilligen gehörten auch vulnerable Gruppen, wie Menschen mit Seh-, Hör- und Mobilitätseinschränkungen oder auch Personen, die die Landessprache nicht beherrschten.
Ziel des EU-Projekts PROACTIVE (PReparedness against CBRNE threats through cOmmon Approaches between security praCTItioners and the VulnerablE civil society) ist es, die Effektivität des Einsatzmanagements im Falle von terroristischen CBRNe-Einsatzlagen hinsichtlich des Umgangs mit großen und diversen Personengruppen zu steigern. Die Abkürzung CBRNe steht für die Auswirkungen von chemischen (C), biologischen (B), radiologischen (R), nuklearen (N) und explosiven (e) Gefahrstoffen.