Stephanie Theiß leitet die Kooperationsberatung für Selbsthilfegruppen, Ärzte und Psychotherapeuten (KOSA) der KV Nordrhein.
Bild: Stephanie Theiß, KV Nordrhein
1. In fünf Sätzen: Was macht Ihre Abteilung?
Theiß (lacht): In fünf Sätzen? Unsere Abteilung gibt es seit den 90er Jahren und die Arbeit ist so vielfältig, dass man eher ein Buch darüber schreiben könnte. Ich versuche, mich kurz zu fassen:
Wir bauen Brücken zwischen der Selbsthilfe und medizinischen sowie psychotherapeutischen Fachleuten. Ziel ist es, dass alle sich auf Augenhöhe begegnen, sich austauschen und voneinander lernen. Unsere vier Kernaufgaben sind Beratung, Vernetzung, Organisation von Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit.
An uns können sich Selbsthilfe-Organisationen mit ihren Anliegen wenden, Ärztinnen und Ärzte mit Fragen zur Selbsthilfe, aber auch Privatpersonen, die zum Beispiel eine Gruppe suchen. Außerdem sind meine zwei Kolleginnen und ich, aber auch der Vorstand der KV Nordrhein, in zahlreichen landesweiten Gremien aktiv, weil wir etwas bewegen und gestalten möchten – von Inklusion über den Alltag mit einer Krebserkrankung bis hin zum Thema Einsamkeit.
2. Wie profitieren Patientinnen und Patienten von Ihrer Arbeit?
Theiß: Zum einen können sie sich direkt an uns wenden, wenn sie zum Beispiel eine Selbsthilfegruppe suchen. Durch unser großes Netzwerk können wir oft direkt die richtigen Ansprechpartner vermitteln. Bei seltenen Erkrankungen oder speziellen Fragen helfen wir den Betroffenen bei der Recherche.
Zum anderen profitieren die Patientinnen und Patienten davon, dass wir Themen aus der Selbsthilfe an unsere Mitglieder – also Ärztinnen und Ärzte Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten – weitertragen, sei es durch unsere Medien wie der KVNO aktuell, unseren Newslettern oder Veranstaltungen.
Nur ein Beispiel von vielen: Selbsthilfegruppen für Organtransplantierte wandten sich an die KOSA. Vor allem Neu-Transplantierte brauchen bei Praxisbesuchen sehr hohe Hygienestandards, da sie kaum Immunabwehr haben und sich nicht infizieren dürfen. Betroffene berichteten, dass viele Praxen nicht darauf eingestellt seien und teilweise das Verständnis des Personals fehle. Also nahmen wir uns des Themas an und informierten die Praxen über die besonderen Bedürfnisse dieser Gruppe von Patientinnen und Patienten. Folge: Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren sehr verbessert.
3. Im Mittelpunkt Ihrer Arbeit steht die Selbsthilfe. Was kann Selbsthilfe leisten?
Theiß: Die Selbsthilfe hat viele verschiedene Aspekte. Die Teilnehmenden können sich mit Gleichgesinnten austauschen, die ihre Situation nachvollziehen können. Die meisten Gruppen betonen: Es geht nicht darum, sich gegenseitig zu bemitleiden.
Es geht um konkrete Hilfe, Erfahrungen oder die Vermittlung von Ansprechpersonen. Welche Erfahrungen haben die anderen mit einem neuen Hilfsmittel gemacht? Wie gehen sie mit den Nebenwirkungen der Medikamente um? Welche Sozialleistungen stehen wem zu?
Oft organisiert die Gruppenleitung Fachvorträge, manchmal werden sogar Therapien oder Sportgruppen angeboten. Aber auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen, zum Beispiel bei gemeinsamen Ausflügen. Immer wieder höre ich, dass unter den Teilnehmenden enge Freundschaften entstehen. Auch das ist ein wichtiger Aspekt der Selbsthilfe.
4. Was hat sich durch die Pandemie in der Selbsthilfe verändert?
Theiß: Die Pandemie ist für die meisten Gruppen eine große Herausforderung, weil die persönlichen Treffen von einem Tag auf den anderen nicht mehr möglich waren. Viele sind kreativ geworden. Sie haben ihre Treffen online abgehalten, Telefonketten gestartet oder die Gruppenleiterinnen und -leiter haben die Mitglieder einzeln zu Hause besucht. Vor allem bei Gruppen mit vielen älteren Mitgliedern war es zum Teil schwierig, den Kontakt über den langen Zeitraum aufrecht zu erhalten, einige Gruppen haben sich sogar aufgelöst – was wirklich schade ist.
Auf der anderen Seite gab es aber gerade in dieser schwierigen Zeit einen großen Bedarf für Selbsthilfe. Es gab einige Neugründungen, unter anderem für Long-Covid-Betroffene. Viele jüngere Menschen vernetzen sich digital und überregional, bauen neue Strukturen auf. Die Pandemie-Zeit ist schwierig für die Selbsthilfe, aber auch eine Chance, neue Wege zu gehen.
5. Was ist Ihre persönliche Motivation für Ihre Arbeit?
Theiß: Manchmal beantworte ich morgens die Frage einer Privatperson, arbeite dann an Konzepten für barrierefreie Praxen mit und moderiere nachmittags eine Veranstaltung für Fachleute über die Kommunikation mit älteren Patientinnen und Patienten. Das ist sehr abwechslungsreich. Alle Tätigkeiten haben eines gemeinsam: Sie helfen Menschen und tragen zu einer positiven Veränderung im Gesundheitssystem bei. Das spornt mein Team und mich an.
Quelle: „KV Nordrhein“, https://patienten.kvno.de/service/newsletter
Mit freundlicher Erlaubnis.