Verena Bentele: „Ich appelliere eindringlich an die Parlamentarier, auch die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit zu verpflichten.“
Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, hat anlässlich der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts im Bundestag gesprochen. Sie sagte: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden, so steht es in unserem Grundgesetz. Ich bin froh, dass durch die Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts ein Schritt zu mehr Teilhabe gegangen werden soll. Aber kleine Schritte sind zu wenig für einen langen Weg. Ich appelliere daher an die Kraft des Parlamentes: Verpflichten Sie endlich auch die Privatwirtschaft zu mehr Barrierefreiheit.“
Es genüge nicht, Träger öffentlicher Gewalt, insbesondere Bundesbehörden zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und zur Barrierefreiheit zu verpflichten. Vielmehr müssten auch private Anbieter von öffentlich zugänglichen Gebäuden und Dienstleistungen passende Angebote für alle Menschen schaffen, so die Beauftragte: „In Restaurants, Arztpraxen und Geschäften muss es Rampen statt Stufen, Leichte Sprache und Informationen in Gebärdensprache oder Brailleschrift geben.“
Es sei lebensfremd, zwischen privaten öffentlich zugänglichen Gebäuden und bundeseigenen Gebäuden zu unterscheiden. Bentele: „Für Menschen mit und ohne Behinderungen spielt es im Alltag keine Rolle, ob ein Gebäude, eine Maßnahme oder die Kommunikation einem öffentlichen oder einem privaten Anbieter zuzuordnen ist. Wir wollen daher umfassende Barrierefreiheit für alle Gebäude und Dienstleistungen, die öffentlich zugänglich sind.“ Als Vorbild werden oft die Bestimmungen in den USA genannt. Es sei aber gar nicht nötig, so weit zu schauen, so die Beauftragte: „Unser Nachbarland Österreich ist da ebenfalls sehr viel weiter als wir in Deutschland. Dort müssen Restaurants und Geschäfte dafür sorgen, dass es behindertengerechte Toiletten gibt oder dass im Fahrstuhl auch blinde Nutzer wissen, wo der Knopf für die richtige Etage ist.“
Nachgebessert werden müsse aber auch bei der Verpflichtung zur barrierefreien Gestaltung von Bestandsbauten des Bundes, so die Beauftragte weiter. Es konnte zwar erreicht werden, dass auch im Rahmen kleinerer Umbauten als bisher Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit durchgeführt werden sollen. Darüber hinaus müssten bei den Bestandsbauten aber lediglich Berichte über den Stand der Barrierefreiheit erstellt werden. „Ich wünsche mir, dass eine verbindliche Frist zur Herstellung von Barrierefreiheit bei Bestandsbauten des Bundes ins BGG aufgenommen wird“, sagte Bentele. Gleiches gelte für elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe und das Intranet von Bundesbehörden.
Positiv beurteilte die Beauftragte, dass Bundesbehörden Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen und ab 2018 Bescheide für Menschen mit Lernschwierigkeiten in Leichter Sprache erläutern sollen. Davon profitieren nicht nur Menschen mit Behinderungen, so Bentele: „Denn die Sprache der Behörden ist für viele schwer zu verstehen. Es ist ein Erfolg, dass in Zukunft etwa Rentenbescheide oder die Schreiben der Jobcenter auf Wunsch in Leichter Sprache erläutert werden.“
Auch den geplanten Partizipationsfonds begrüßte Bentele ausdrücklich, da er insbesondere für Selbstvertretungsorganisationen von Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit eröffnet, an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten aktiv teilzuhaben.
Als weiteren Erfolg sieht die Beauftragte das niedrigschwellige Schlichtungsverfahren für Streitfälle nach dem BGG, das für die Beteiligten kostenfrei sein wird. Es soll den Verbänden als Vorverfahren vor Verbandsklagen dienen, aber auch Einzelpersonen zur Verfügung stehen. Bentele: „Jeder, der der Ansicht ist, durch eine Bundesbehörde in einem Recht nach dem BGG verletzt zu sein, kann sich an die Schlichtungsstelle wenden. Damit wollen wir die Umsetzung von Barrierefreiheit in der Praxis weiter voranbringen.“