Corona: Deutliche Rückschritte für Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen
Die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation e. V. (DVfR) hat mit Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) untersucht, wie sich die Corona-Pandemie auf Teilhabe und Rehabilitation auswirkt. Der jetzt vorgelegte Abschluss-bericht zeigt, dass Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie besonders betroffen sind. Die Ergebnisse weisen auf deutliche Rückschritte in Teilhabe und Inklusion hin. Deshalb sind Verantwortliche in Politik und Rehabilitation gefordert, die im Bericht empfohlenen Handlungsoptionen zu prüfen.


Die Untersuchung zeigt, dass vor allem zu Beginn der Pandemie, Menschen mit Behinderungen und ihre Familien sich mit ihren speziellen Problemen von der Politik vergessen und allein gelassen fühlten. Häufig entfielen notwendige Therapien und Förderungen, Assistenz in Alltag, Schule oder Beruf sowie Beförderungsdienste. Medizinische und berufliche Rehabilitation fanden nur sehr eingeschränkt statt, wichtige Dienste und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen mussten zeitweise schließen. Ersatzangebote wie digitaler Unterricht oder individuelle Beratung waren häufig für Menschen mit Behinderungen nicht verfügbar oder konnten nicht hinreichend genutzt werden. Die psychosozialen Belastungen waren für die Betroffenen und ihre Familien oft kaum zu bewältigen.

DVfR-Untersuchung: Breit angelegte Befragung

Die Besonderheit der DVfR-Untersuchung liegt in ihrer Breite und Multiperspektivität. Neben rund 200 Stellungnahmen von Expertinnen und Experten flossen Ergebnisse einer großen Online-Befragung im November und Dezember 2020 ein. Zentrale Fragen waren: Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen? Wie müssen Gesundheitsversorgung und Teilhabeförderung, Arbeitswelt und Bildungswesen, aber auch gesellschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen angepasst und verändert werden, um Teilhabe und Inklusion sicherzustellen?
An der Befragung beteiligten sich 3.684 Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder Pflegebedürftigkeit, 1.124 Angehörige, 1.325 Vertreterinnen und Vertreter von Reha-Diensten und -Einrichtungen, 39 von deren Dachverbänden, 244 von Kostenträgern der Reha-Leistungen sowie 177 aus Betroffenen- und Sozialverbänden. Die Befragten brachten in Freitexten vielfach auch eigene Erfahrungen und Vorschläge für Verbesserungen ein. Die Befragung ergab so einen differenzierten Einblick in die Lebenssituation und Probleme der befragten Personen in Zeiten der Corona-Pandemie.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Menschen mit Behinderungen
Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen oder Pflegebedarf und ihre Familien, insbesondere in Kombination mit prekären Lebenslagen, haben unter den Auswirkungen der Pandemie noch stärker gelitten als andere Menschen. Eingeschränkt waren:
• Gesundheits- und Teilhabeleistungen, medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation, mit oft gravierenden Auswirkungen auf Gesundheit, Teilhabe und Alltag,
• Teilhabe am Arbeitsleben und der Zugang zum Arbeitsmarkt,
• Erziehungs- und Bildungsangebote, mit Entwicklungsbeeinträchtigungen der betroffenen Kinder und Jugendlichen,
• Zwischenmenschliche Beziehungen und private Kontakte, sogar in existentiell bedrohlichen Lebenslagen, mit erheblichen psychosozialen Auswirkungen.
Maßnahmen zugunsten von Teilhabe und Inklusion in Pandemiezeiten
Eine Expertengruppe der DVfR entwickelte aus den Ergebnissen zahlreiche Handlungsoptionen, die sich an verschiedenste Akteure, insbesondere an die Politik sowie an Träger und Einrichtungen der Rehabilitation und Teilhabe richten.
Auch unter den Bedingungen einer Pandemie haben Menschen mit Behinderungen ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe und Selbstbestimmung. Dieses ist unbedingt in der Praxis umzusetzen. Inklusion kann nur gelingen, wenn Politik, Entscheidungsträger und die versorgenden Dienste und Einrichtungen die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und deren besondere Lebenslagen mitdenken. Reha-Leistungen, Assistenz, Beförderung, barrierefreie und niedrigschwellige Beratungsangebote und allen voran zwischenmenschliche Beziehungen müssen trotz aller Maßnahmen zum Gesundheitsschutz erhalten bleiben. Digitalisierung muss die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen berücksichtigen, u. a. durch umfassende Barrierefreiheit. Rehabilitation, aber auch Gesundheitswesen, Schule und Arbeitswelt müssen „pandemiefest“ gestaltet werden.
Besondere Herausforderungen stellen sich für die Rehabilitation im Hinblick auf Long-Covid, die umfassende Förderung der durch die Pandemie in Entwicklung und Lernen beeinträchtigten Kinder und Jugendlichen sowie allgemein die Unterstützung wegen der psychischen Folgen der Corona-Pandemie. Damit wird dem Reha-System in Zukunft eine noch größere Bedeutung zukommen.

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