Forscherteam nutzt Tinnitus-App für neue Studie
Der aktuelle Gefühlszustand hat Einfluss auf das Belastungsempfinden von Tinnitus-Patienten. Dies hat jetzt ein Forscherteam der Universitäten Regensburg, Ulm und Witten/Herdecke nachgewiesen. Bislang war lediglich bekannt, dass Stress mit Tinnitus zusammenhängt. Für ihre neuen Untersuchungen nutzten die Wissenschaftler die Smartphone-App „TrackYourTinnitus“ (www.trackyourtinnitus.org). Die Ergebnisse ihrer Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlicht (DOI: 10.1038/srep20382).
Unter Tinnitus versteht man die Wahrnehmung von Geräuschen ohne eine entsprechende äußere Schallquelle. Die hohe Prävalenz – bzw. Häufigkeit der Erkrankung – von Tinnitus mit bis zu 15 % und die enormen gesellschaftlichen Kosten, die sich gemäß Schätzungen wissenschaftlicher Studien auf über 5 000 Euro pro Patient im Jahr belaufen, verdeutlichen die Relevanz effektiver Therapien gegen diese Störung. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Identifikation der Prozesse, die einen Einfluss darauf haben, wie die Tinnitus-Lautstärke zu mehr oder weniger Belastung durch den Tinnitus führt. Dafür eignet sich der Einsatz von Techniken und Methoden des sogenannten „Ecological Momentary Assessment“ (EMA) – einer Form des ambulanten Assessments bzw. der Datenerfassung im Alltag der Betroffenen.
Für eine solche tagebuchartige Erfassung aktueller Selbstberichte eignet sich die Smartphone-App „TrackYourTinnitus“, die von Forschern um Dr. Winfried Schlee (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Regensburg) entwickelt wurde. Ein Team von Forscherinnen und Forschern aus Regensburg, Ulm und Witten/Herdecke untersuchte mit Hilfe der App im Alltag von Betroffenen, ob aktuelle emotionale Zustände dazu beitragen, dass die Tinnitus-Lautstärke mit mehr oder weniger Belastung durch den Tinnitus verknüpft ist. Als aktueller emotionaler Zustand wurde das Ausmaß von zwei Komponenten von aktuellen emotionalen Zuständen einbezogen: „Arousal“ und „Valenz“. Unter „Arousal“ versteht man das Ausmaß der inneren Aktivierung des Nervensystems und unter „Valenz“ die mehr positive oder mehr negative Färbung der aktuellen Stimmungslage. Für ihre Untersuchung analysierten die Forscher die Daten aus dem Alltag von 658 Tinnitus Patienten.
Alexander Schlaak Referat II/2, Kommunikation
Universität Regensburg
Die Analysen zeigten, dass die Tinnitus-Lautstärke bei höherem „Arousal“ und verstärkt negativer „Valenz“ ebenso wie bei höherem aktuellen Stresserleben mit einer stärkeren Belastung durch Tinnitus verbunden ist. Diese Beobachtung hat Konsequenzen für die therapeutische Praxis: So dürften gerade solche Therapieansätze, die auf eine Veränderung von Emotionen und Stress abzielen, dazu führen, dass die Belastung durch den Tinnituston sinkt und sich der Zustand der Patientinnen und Patienten verbessert.
Titel des Original-Aufsatzes:
Probst, T., Pryss, R., Langguth, B., & Schlee, W. (2016). Emotional states as mediators between tinnitus loudness and tinnitus distress in daily life: Results from the “TrackYourTinnitus” application. Scientific Reports, 6, 20382.