Neurowissenschaftliche Studie führt zu neuen Ansätzen beim Spracherwerb
Unser Gehirn ist in der Lage, fehlende äußere Belohnung durch ein inneres Signal zu simulieren und so das Erlernen neuer Informationen selbstgesteuert zu verstärken. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Team von Psychologen und Neurowissenschaftlern der Universitäten Magdeburg und Barcelona, Spanien. Die Ergebnisse wurden soeben in eLife, einer renommierten Fachzeitschrift für Lebenswissenschaften, veröffentlicht.
Insgesamt zeigten die Ergebnisse der Studie, dass selbstgesteuertes Lernen selbstbelohnend sein kann, also die Belohnungsgedächtnisschleife des Gehirns „anschaltet“. Eine wesentliche Frage für die zukünftige Forschung wird es sein, wann selbstgesteuertes Lernen eine effektivere Lernmethode darstellt als Strategien, die auf externes Feedback und Belohnung bauen; bzw. unter welchen Umständen externe und interne Strategien optimal ineinandergreifen. Das könnte künftig zu wesentlichen Verbesserungen des Aufbaus von pädagogischen Programmen führen, z.B. beim Lernen von Fremdsprachen oder auch bei der Rehabilitation von Sprachfähigkeiten nach einem Schlaganfall.
„Menschen und Tiere lernen, wenn sie für ihr Verhalten belohnt werden und auch dann, wenn sie eine Belohnung lediglich erwarten“, so Prof. Dr. rer. nat. Tömme Noesselt vom Institut für Psychologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Senior-Autor der Studie. „Dabei muss eine Belohnung nicht unbedingt Geld oder Essen sein, sondern umfasst auch Lob und soziale Interaktionen. Im Alltag eignen wir uns jedoch oft neues Wissen an, OHNE belohnt zu werden. Daher haben wir uns die Frage gestellt, wie unbelohntes Lernen im Gehirn zu stabilen Gedächtnisinhalten führt.”
Für die Studie zum Erfolg des belohnungslosen Lernens wurden an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg 36 Versuchspersonen in einem Hirnscanner untersucht. Die Probanden lasen Satzpaare, die neue Worte enthielten und versuchten, die (übereinstimmende) Bedeutung neuer Worte zu verstehen. Wenn sie erfolgreich eine neue Wortbedeutung erschlossen, waren Gedächtnisareale wie der Hippocampus zusammen mit Belohnungsarealen wie dem so genannten Nucleus accumbens aktiviert. Je stärker diese Areale kooperierten, umso besser war die individuelle Lernleistung. Offenbar aktivierte das neue Wissen um die Bedeutung eines Wortes das Belohnungsnetzwerk. Das führte zur Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin, der wiederum die Bildung von Gedächtnisspuren verstärkt.
Um nun herauszufinden, inwieweit das Lernen neuer Wortbedeutungen mit der Aktivierung der Belohnungsareale zusammenhängt, wurden die Versuchspersonen während des Lernens gefragt, wie angenehm sie jedes neue Wort, also jeden Lernzuwachs empfanden. Dazu wurde die Hautleitfähigkeit gemessen. Größere Freude und damit eine Veränderung des Hautleitwiderstands wurde während des Einprägens nur für die Worte beobachtet, die anschließend auch noch nach einer Woche im Gedächtnis blieben.
Quelle: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Grafik: Universität Magdeburg