BildanzeigeForschende am Göttingen Campus entschlüsseln Struktur und Funktion eines zentralen Hörproteins

Göttinger Forschende haben die Struktur und Funktion von Otoferlin aufgeklärt – einem Protein, das eine entscheidende Rolle im Hörprozess spielt. Fehlt Otoferlin oder ist seine Funktion beeinträchtigt, verursacht dies eine häufige Form frühkindlicher Taubheit. Die in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen Ergebnisse markieren einen Meilenstein nach über zwei Jahrzehnten Forschung zu Otoferlin am Göttingen Campus und tragen dazu bei, erste Gentherapien zur Behandlung von Taubheit zu optimieren.

Hören ist ein komplexer Prozess, der bis heute noch nicht vollständig verstanden ist. Trifft ein Geräusch auf die Haarsinneszellen im Innenohr, geraten diese in Schwingung. Durch diese Bewegung wird eine Spannungsänderung in den Zellen verursacht, die zur Öffnung von Kalziumkanälen in der Membran führt. Kalzium strömt ein und löst die Freisetzung eines Botenstoffes aus. Dieser wird innerhalb der Haarsinneszellen in kleinen Bläschen, den sogenannten Vesikeln, zur Kontaktstelle zwischen Haarsinneszellen und Hörnervenzellen, der Synapse, transportiert. Dort angekommen, lagern sich die Vesikel an die Membran der Haarsinneszellen an, verschmelzen in Folge von Kalziumbindung mit ihr und setzen den Botenstoff frei. Dieser aktiviert die gegenüberliegenden Hörnervenzellen, wodurch die Schallinformation an das Hörzentrum im Gehirn weitergeleitet wird.

Schlüsselmolekül für das Hören

Das OTOF-Gen ist für die Bildung des Proteins Otoferlin verantwortlich, das bei der Freisetzung des Botenstoffes eine entscheidende Rolle spielt. Fehlt Otoferlin oder ist seine Funktion beeinträchtigt, kann die Schallinformation nicht an das Gehirn weitergeleitet werden – eine Erkrankung, die als auditorische Synaptopathie bekannt ist und eine häufige Form frühkindlicher Taubheit darstellt. Wie genau das Otoferlin diesen Prozess beeinflusst, war bisher nicht vollständig geklärt.

Wissenschaftler*innen der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), des Exzellenzclusters „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) und des neuen Sonderforschungsbereichs 1690 „Krankheitsmechanismen und funktionelle Wiederherstellung von sensorischen und motorischen Systemen“ ist es jetzt gelungen, die Struktur und Funktion von Otoferlin zu entschlüsseln. Die Ergebnisse zeigen, dass das Otoferlin eine ringförmige Struktur mit mehreren Bindestellen für Kalzium aufweist. Die Bindung von Kalzium und Membranlipiden führt zu einer Veränderung der Otoferlin-Struktur, in deren Folge das Vesikel eng an die Membran „angedockt“ und so die Verschmelzung vorbereitet wird. Otoferlin funktioniert dabei als Kalzium-Sensor für die Botenstofffreisetzung: Sind alle Bindestellen von Otoferlin mit Kalzium belegt, kommt es zur Verschmelzung der Vesikel mit der Membran, an der vermutlich weitere Proteine beteiligt sind.

„Dies ist ein Durchbruch im Verständnis der molekularen Grundlagen des Hörens. Wir verstehen jetzt besser, wie das Otoferlin funktioniert und warum Veränderungen im OTOF-Gen, sogenannte Mutationen, zur Fehlfunktion des Proteins führt“, sagt Prof. Dr. Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften der UMG, Sprecher des MBExC und SFB 1690 sowie Letztautor der Studie. „Diese neuen Erkenntnisse sind nicht nur grundlegend für das Verständnis der Hörverarbeitung, sondern auch hochrelevant für die klinische Forschung: Für OTOF-Mutationen wurde bereits die erste Gentherapie am Innenohr in klinischen Studien erfolgreich getestet. Detailliertes Wissen über Struktur und Funktion des Otoferlins eröffnet nun die Möglichkeit, diese Therapien gezielt zu optimieren.“

Bild: Schematische Darstellung von Otoferlin
Schematische Darstellung von Otoferlin mit einer ringförmigen Anordnung seiner einzelnen C2-Domänen (links und rechts farbig dargestellt) sowie jeweils einer Transmembrandomäne (hellblau), die das Otoferlin im synaptischen Vesikel (als grauer Halbkreis dargestellt) verankert. Durch die Wechselwirkung von Otoferlin mit der Zellmembran (graue Fläche am unteren Bildrand) „dockt“ das synaptische Vesikel an der Membran an und verändert deren Struktur (durch die farbigen Kreise links und rechts am unteren Bildrand angedeutet). Dieser Vorgang führt zur Verschmelzung der beiden Membranen (unten in der Mitte der Abbildung mit den weißen Kreisen angedeutet). Foto: umg/alexey chizhik
Quelle: Universitätsmedizin Göttingen - Georg-August-Universität 
Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen.

Originalpublikation:
Han Chen, Constantin Cretu, Abigail Trebilcock, Natalia Evdokimova, Norbert Babai, Laura Feldmann, Florian Leidner, Fritz Benseler, Sophia Mutschall, Klara Esch, Csaba Zoltan Kibedi Szabo, Vladimir Pena, Constantin Pape, Helmut Grubmüller, Nicola Strenzke, Nils Brose, Carolin Wichmann, Julia Preobraschenski and Tobias Moser. Structure and function of otoferlin, a synaptic protein of sensory hair cells essential for hearing. Science Advances (2025). DOI: 10.1126/sciadv.ady8532

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