Alexa und Co in unserem Kopf: Wo die Stimmerkennung im Gehirn sitzt
Amazon hat es gerade verkündet: Sein Sprachassistent Alexa kann nun auch Stimmen erkennen und sie der jeweiligen Person zuordnen. Was in der Technikwelt als kleine Revolution gefeiert wird, ist für unser Gehirn ganz normal. Es erkennt, ob uns eine Stimme bekannt vorkommt oder nicht. Bisher war jedoch unklar, durch welche Areale im Gehirn wir Stimmen wiedererkennen. Ein Team des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig hat nun in einer großangelegten Studie an Patienten mit Hirnverletzungen den überzeugenden Beweis geliefert: Unser persönlicher Assistent zur Stimmerkennung nutzt eine Windung im rechten Schläfenlappen.
Wir befinden uns ständig in Situationen, in denen wir mit anderen sprechen. Dabei verhalten wir uns einem Freund gegenüber anders als gegenüber einem Fremden. Eine wesentliche Fähigkeit ist es daher, nicht nur zu erkennen, was einer zu uns sagt, sondern auch wer zu uns spricht. Dabei hilft uns die Stimme unseres Gesprächspartners. Bislang war sich die Wissenschaft nicht einig darüber, wo genau im Gehirn sich die Areale befinden, durch die wir eine Stimme wiedererkennen.
„Sehr zuverlässige Aussagen darüber, welche Gehirnbereiche welche Funktionen innehaben, lassen sich anhand von Untersuchungen an Patienten mit Hirnverletzungen treffen. Ist ein bestimmter Bereich im Gehirn verletzt und fällt dadurch eine bestimmte Fähigkeit aus, lässt sich beides einander zuordnen“, erklärt Claudia Roswandowitz, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und Erstautorin einer Studie, die nun die entscheidenden Erkenntnisse zur Stimmerkennung gebracht hat. Darin testeten die Forscher 58 Patienten mit Hirnschädigungen, vor allem Schlaganfall-Betroffene, die Fähigkeit, Stimmen zu lernen und diese dann wiederzuerkennen. Zusätzliche dazu nutzten die Forscher Hirnscans der Patienten, die hochaufgelöst deren Hirnstrukturen und -schädigungen zeigten.
Die Neurowissenschaftler erkannten, dass besonders Patienten mit Läsionen in bestimmten Bereichen des rechten hinteren Schläfenlappens Stimmen schlechter erkannten. Sie gehen daher davon aus, dass der hintere Gyrus temporalis superior, kurz STG, unerlässlich für die Stimmerkennung ist.
Bestätigt werden diese Erkenntnisse auch durch eine Vorgängerstudie am MPI CBS. Darin wurde ein Phänomen erforscht, das umgangssprachlich auch als „Stimmblindheit“ bezeichnet wird: Die Phonagnosie, die Unfähigkeit Stimmen wiederzuerkennen. Die beiden untersuchten Betroffenen – die einzigen in Deutschland bekannten – gelingt es nicht, andere Menschen an ihrer Stimme wiederzuerkennen, selbst die eigene Mutter oder die eigenen Kinder nicht. Auch bei ihnen erkannten die Forscher um Roswandowitz, dass Veränderungen im und mit dem rechten Schläfenlappen zu den entsprechenden Defiziten führen. Im Vergleich zu den Patienten mit Hirnverletzungen waren hier jedoch nicht ausgefallene Hirnstrukturen die Ursache, sondern die abweichende Aktivität in diesen Gebieten.
„Durch diese Erkenntnisse können wir besser verstehen, wie das Gehirn Stimmen erkennt. Das ist die Grundlage, um wirksame Therapien für Betroffene der Phonagnosie, die in manchen Fällen angeboren ist, gerade nach einem Schlaganfall jedoch recht häufig auftritt. In unserer Studie haben beispielweise neun Prozent der Patienten von deutlichen Schwierigkeiten beim Erkennen von Stimmen berichtet. Trotzdem ist das Phänomen im medizinischen Bereich bisher kaum bekannt. Hier müssten wir zu einer höheren Sensibilität gelangen“, so Roswandowitz.
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften