Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) sollte zum 1. Januar 2024 eine neue Struktur erhalten und in eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts umgewandelt werden. Die Stiftung soll getragen und finanziert werden vom Spitzenverband der Krankenkassen. Das dazu notwendige Gesetz wurde am 15. Mai 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. Doch die Verantwortlichen werden sich vertraglich nicht einig.
Die UPD setzt daher die Beratungen vorerst aus. Wann ein Neustart erfolgen kann, steht in den Sternen.
Bild: Screenshot der UPD Webseite mit Hinweiseinblendung
Das ist ein weiterer unverständlicher Meilenstein in einer Kette von unglaublichen Vorgängen.
Die UPD startete am 1. Januar 2000 als Modellvorhaben und war bis 2010 befristet. Laut Helga Kühn-Mengel, Die Beauftragt der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, war das Ziel des Modellvorhabens, „ein von Kassen und Leistungserbringern unabhängiges Beratungs- und Informationsangebot als Regelleistung aufzubauen“. Dieses Ziel ist durch § 65b SGB V vorgegeben.
Offiziell nahm die Organisation am 30. Januar 2007 ihre Arbeit auf. Träger des Modellverbunds und Gesellschafter der im Jahr 2006 gegründeten Unabhängigen Patientenberatung Deutschland UPD gemeinnützige GmbH waren der Sozialverband VdK Deutschland e.V., der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) und der Verbund unabhängige Patientenberatung (VuP) e.V.
Am 1. Januar 2016 übernahm der private Gesundheitsdienstleister Sanvartis, der auch für Krankenkassen tätig ist, die Beratungen der UPD. Eine unabhängige Beratung erschien dadurch nicht mehr gegeben. 2018 wird Sanvartis an die neu gegründeten Sanvartis Careforce Holding GmbH verkauft. 2021 kritisierte der Bundesrechnungshof, dass mehr als 20 Mio. Euro, nahezu ein Drittel der ursprünglichen Fördersumme, direkt an Sanvartis und ihr angeschlossene Firmen geflossen sei.
Im September 2023 meldet die UPD in einer Pressemitteilung:
Neuaufstellung der Unabhängigen Patientenberatung: „Die Unabhängigkeit ist mehr als fraglich“ – Start der Stiftung bis Januar 2024 ist nicht realistischDer Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands hat am vergangenen Donnerstag dem Entwurf für die Satzung der künftigen UPD-Stiftung zugestimmt, die der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) zuvor mit dem Bundesministerium für Gesundheit ausgehandelt hat. Nach Auffassung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) wird die Satzung in dieser Form der unabhängigen und neutralen Patientenberatung schweren Schaden zufügen und die Glaubwürdigkeit des Informations- und Beratungsangebots untergraben. Angesichts der geringen verbleibenden Zeit zur Gründung der Stiftung und Errichtung der Beratungsstrukturen ist eine im Januar 2024 arbeitsfähige UPD zudem weiterhin nicht realistisch. Eine Planung für eine Übergangslösung fehlt.
Zu der vom Verwaltungsrat des GKV-SV beschlossenen Stiftungssatzung sagt Thorben Krumwiede, Geschäftsführer der UPD: „In dem verabschiedeten Satzungsentwurf fällt der Einfluss der gesetzlichen Krankenkassen noch größer aus als bisher bekannt. Der GKV-SV hat sich nicht nur umfassenden Einfluss auf Haushalt und Personalentscheidungen der Stiftung gesichert, sondern wird aktiv auf die inhaltliche Arbeit und Ausrichtung der UPD einwirken können. Auch das Beratungsspektrum wurde leider deutlich reduziert. Eine „unabhängige“ Patientenberatung ist damit mehr als fraglich. Man muss sich vor Augen führen: Die Neuaufstellung der UPD wurde ursprünglich damit begründet, dass die UPD unabhängiger und neutraler werden soll. Mit dieser Satzung gerät die Neuaufstellung leider zur Farce.“
Fachliche Unterausschüsse ermöglichen GKV-SV Einfluss auf Beratungstätigkeit
In Haushaltsfragen können die Vertreter des GKV-SV begründeten Einspruch einlegen, der nur mit einer ¾-Mehrheit im Stiftungsrat zurückgewiesen werden kann. Faktisch ist die Stiftung daher in allen Finanzfragen auf das Wohlwollen des GKV-SV angewiesen. Die Satzung sieht außerdem einen Fachausschuss zu Finanzfragen sowie einen Fachausschuss zu Grundsatzfragen vor, in die auch der GKV-SV Vertreter entsendet – in ersterem Ausschuss ist er auch stimmberechtigt. Diese Fachausschüsse sollen Empfehlungen an den Stiftungsrat erarbeiten.„Was genau eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, wird nicht weiter ausgeführt. Mithilfe solcher vagen Formulierungen behält sich der GKV-SV Einflussmöglichkeiten auf die inhaltliche Arbeit der Stiftung vor. Warum es neben dem bewährten wissenschaftlichen Beirat auch einen Fachausschuss zu inhaltlichen Grundsatzfragen geben soll, ist nicht nachvollziehbar. Das Stiftungskonstrukt wird damit noch gremienlastiger, der Handlungsspielraum des Stiftungsvorstands wird deutlich eingeschränkt.“, sagt Thorben Krumwiede.
Zeitplan zur Stiftungsgründung ist nicht zu schaffen, Übergangsregelung fehlt
Die CDU/CSU-Fraktion hat gestern einen Antrag auf eine Verlängerung für die derzeitige UPD in den Bundestag eingebracht. Begründet wird der Antrag damit, dass angesichts der wenigen verbleibenden Zeit ein rechtzeitiger Start der Stiftung nicht mehr möglich ist und damit ein Bruch im Beratungsangebot und ein dauerhafter Verlust der qualifizierten Beraterinnen und Berater droht.
Dazu Thorben Krumwiede: „Eine Anfang Januar arbeitsfähige UPD-Stiftung ist nach aktueller Sachlage in der Tat völlig unrealistisch. Die politischen Diskussionen dauern noch immer an, eine formaljuristische Gründung der Stiftung steht weiter aus. Ein inhaltliches Konzept gibt es nicht. Die Patientenorganisationen drohen vor dem Hintergrund des großen Einflusses der Kassen weiter damit, die Mitarbeit am Aufbau der Stiftung zu verweigern. Dennoch hat das Bundesministerium für Gesundheit bis heute keinen Plan für eine Übergangslösung vorgelegt und setzt trotz aller Warnungen auf das Prinzip Hoffnung. Das ist sowohl gegenüber den Ratsuchenden, die sich auf das Beratungsangebot der UPD verlassen, als auch gegenüber den qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verantwortungslos. Die aktuelle UPD ist bereit, den Beratungsbetrieb für einen begrenzten Zeitraum weiterzuführen, um einen Bruch zu vermeiden und einen geordneten Übergang sicherzustellen. Für diesen Weg braucht es aber schnell ein klares Signal aus der Politik.“
Quellen: UPD Patientenberatung Deutschland gGmbH, SoVD Zeitung, Bundesministerium für Gesundheit