Claudia PlatzekWenn Claudia Platzek über ihre Leidenschaft zum Triathlon spricht, fangen ihre Augen an zu leuchten und ihr Gesicht an zu strahlen. Wer ihr zuhört, kann nicht anders als sich von ihrer Begeisterung anstecken zu lassen – und zugleich sehr beeindruckt zu sein. Denn die sportlichen Ausnahmeleistungen, die an sich schon Herausforderung genug sind, meistert die passionierte Triathletin praktisch taub oder nur eingeschränkt hörend. An Taubheit grenzend schwerhörig, ist es Claudia Platzek nur dank ihrer Cochlea-Implantate möglich, an der hörenden Welt teilzuhaben. Dies hielt sie jedoch nie davon ab, sportlich erfolgreich zu sein.
Bild: Claudia Platzek beim Ironman in Kalmar vor wenigen Wochen ©privat

Heute blickt die gelernte Industriemechanikerin und Mutter zweier Kinder auf viele Titel zurück: Deutsche Meisterin im Gehörlosen Triathlon, Bayerische Radmeisterin, Teilnehmerin der Challenge Roth und des Ironmans im schwedischen Kalmar. Anfang Oktober startet sie beim Ironman auf Hawaii, gewissermaßen der Wettkampf zwischen der „Creme de la Creme“ weltweiter Triathlet*innen. Was die Faszination Triathlon ausmacht, warum sie sich immer wieder aufs Neue zu sportlichen Höchstleistungen motiviert und welche Rolle ihr Hörverlust dabei spielt, darüber spricht Claudia Platzek (CP) in folgendem Interview:
Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrem tollen Ergebnis beim Ironman in Kalmar vor wenigen Wochen, bei dem Sie sich auch für den Ironman auf Hawaii Anfang Oktober qualifiziert haben. Eine beachtliche Leistung!
Vielen Dank! Ich bin selbst noch ganz überwältigt. Das war eine tolle Erfahrung, auch wenn ich meine mir gesetzte Zeit von elf Stunden nicht ganz geschafft habe. Ich war 53 Minuten langsamer, aber das ist schlussendlich nicht so wichtig. Mir geht es vor allem ums Dabeisein und in wenigen Wochen geht es ja auch schon weiter.
Vor dem Ironman ist also nach dem Ironman. Ist das nicht sehr ambitioniert, vielleicht sogar ein bisschen verrückt?
CP: Es ist mit Sicherheit ein wenig von beidem (lacht), aber es hat sich nun einmal so ergeben. Idealerweise liegt zwischen zwei Wettkämpfen etwa ein halbes Jahr. Bei mir sind es nun gerade einmal sieben Wochen. Das bedeutet, ich gehe nahtlos vom Wettkampf ins Training über. Das ist natürlich extrem, doch wenn Du die Qualifikation für Hawaii bekommst, dann überlegst Du nicht lange – zumindest ich nicht (lacht). Auch wenn ich mir vor jedem Wettkampf denke: „Warum tust Du Dir das an?“. Nach der Challenge Roth 2019 und dem Ironman in Kalmar, im Moment als ich die Ziellinie überquerte, schwor ich mir sogar: „Nie, nie wieder!“. Ursprünglich hatte ich mir auch vorgenommen, nur einen Ironman zu absolvieren.
Und trotzdem schnüren Sie immer wieder die Laufschuhe, springen in den Schwimmanzug und aufs Rad. Warum?
CP: Weil es trotz aller Schinderei einfach Spaß macht. Die Liebe zum Sport fand mich bereits während des Schwimmtrainings in meiner Schulzeit, die Liebe zum Triathlon kam erst später. Nach der Geburt meiner beiden Söhne suchte ich eine Sportart, um fit zu bleiben und begann wieder mit Schwimmen. Über einen Vereinskollegen kam ich zum Triathlon. 2010 absolvierte ich den ersten Triathlon in Ingolstadt, ein paar Jahre darauf folgte die Gehörlosenmeisterschaft. Irgendwie hat es mich angefixt und ich bin dabeigeblieben. Natürlich steckt sehr viel harte Arbeit dahinter. Im Winter trainiere ich zwischen acht und 12 Stunden pro Woche, im Sommer sind es bis zu 20 Stunden. Das ist mir auch nur möglich, weil ich in Teilzeit arbeite und meine Familie mich unterstützt. Mein Mann und einer meiner Söhne begleiten mich sogar nach Hawaii, um mich vom Streckenrand aus anzufeuern. Die sportliche Herausforderung von drei Disziplinen – Laufen, Schwimmen, Radfahren – motiviert mich immer wieder aufs Neue, dazu kommt die Atmosphäre während der gesamten Veranstaltung und die Begeisterung des Publikums, auch davon lebt ein solcher Wettkampf.
Apropos Stimmung und Applaus am Streckenrand. Sie sind taub geboren, wie können sie diese Anfeuerung überhaupt wahrnehmen?
CP: So wie ich mich jetzt auch mit Ihnen unterhalte. Ich bin zwar von Geburt an Taubheit grenzend schwerhörig, kann aber trotzdem hören – früher mit Hörgeräten und weil diese irgendwann nicht mehr ausreichten, heute mit sogenannten Cochlea-Implantaten.
Wie kann man sich ein solches Cochlea-Implantat vorstellen?
CP: Das Cochlea-Implantat-System, wie es eigentlich richtig heißt, besteht aus zwei Teilen: dem eigentlichen Implantat, das operativ eingesetzt und am Schädelknochen befestigt ist, und dem äußerlich getragenen Audioprozessor, den ich ähnlich wie ein Hörgerät hinter dem Ohr trage und der über einen Magneten mit dem Implantat verbunden ist. Vereinfacht und etwas verkürzt ausgedrückt, sendet der Audioprozessor Signale an das Implantat und damit wird ein Sprachverstehen möglich. Ich trage auf beiden Seiten ein solches System.
Ergeben sich für Sie daraus nicht Nachteile beim Wettkampf?
CP: Eigentlich nicht, denn der Triathlon ist ein Einzelsport, bei dem wenig Kommunikation mit anderen erforderlich ist. Bei den Wettkämpfen für Gehörlose trage ich meinen Audioprozessor ohnehin nicht, denn somit sind die Voraussetzungen für alle gleich. Ich höre nichts, so wie alle anderen Teilnehmenden. Bei den Veranstaltungen, an denen auch – ich nenne sie jetzt einfach mal – Normalhörende antreten, trage ich meinen Audioprozessor nur beim Laufen und beim Radfahren, da er unter Wasser nicht funktioniert beziehungsweise kaputtgehen würde. Das bedeutet, ich muss das Gerät vor dem Schwimmstart in der Wechselzone zum Radfahren deponieren. Deshalb bin ich dann tatsächlich taub und kann nur noch von den Lippen der Teilnehmenden und Kampfrichter*innen ablesen, darin bin ich allerdings sehr geübt. Durch das An- und Ablegen des Audioprozessors dauert allerdings mein Wechsel minimal länger. Beim Radfahren und Laufen, bekomme ich alles mit, das System funktioniert gut, damit alles sicher sitzt, trage ich zusätzlich ein Stirnband.
An welchen Wettkämpfen nehmen sie lieber teil?
CP: Beides hat seinen Reiz. Früher habe ich nur an Wettkämpfen für Normalhörende teilgenommen, mittlerweile starte ich auch an denen für Gehörlose. Die Wettkämpfe der Gehörlosen sind natürlich viel kleiner, man kennt sich untereinander. Das ist dann fast wie ein Familientreffen. Anfänglich war es für mich sogar ungewohnt beim Wettkampf nichts zu hören, da ich mein Hörsystem eigentlich immer trage, aber mittlerweile habe ich mich auch daran gewöhnt. Bei den Veranstaltungen der Normalhörenden genieße ich auch das Erlebnis auf der Tonspur: meine Schritte beim Laufen, die Begeisterung des Publikums – das gehört für mich schon dazu. Aber ich mache beides sehr, sehr gerne.
Mittlerweile haben Sie schon an vielen Wettkämpfen teilgenommen, sind Deutsche Meisterin im Gehörlosen Triathlon und Bayerische Radmeisterin. Als Nächstes steht der Ironman auf Hawaii an. Sind sie aufgeregt?
CP: Und wie. Immerhin ist er einer der weltweit anspruchsvollsten Ausdauerwettkämpfe, an dem ich als Gehörlose trotz meiner Einschränkung ohne Sonderrechte teilnehme. Neben den mentalen und physischen Anforderungen – es gilt 3,86 km schwimmend, 180,2 km radfahrend und 42,195 km und laufend zu bewältigen – sind die klimatischen Bedingungen in der hawaiianischen Lavawüste besonders herausfordernd: zum Beispiel die Ho'o-Mumuku-Winde, unvorhersehbar aufkommende böige Seitenwinde mit Geschwindigkeiten
von bis zu 80 km/h, aber auch die Temperaturen von zum Teil über 30 °C gepaart mit der hohen Luftfeuchtigkeit. Dazu kommt, dass große Teile der Laufstrecke schattenlos sind und im offenen Meer ohne Neoprenanzug geschwommen wird. Das sind schon extreme Voraussetzungen. Deshalb fliege ich auch schon eine Woche vor dem Wettkampfbeginn nach Hawaii, um mich zu akklimatisieren, mich mit den Bedingungen vor Ort vertraut zu machen und meine letzten Wettkampfvorbereitungen abzuschließen. Am Abend vor dem Wettkampf werde ich eine Portion Kartoffeln mit Quark essen, das ist gewissermaßen ein Ritual bevor es dann am 6. Oktober ernst wird und es endlich losgeht.
Haben Sie sich ein Zielzeit gesetzt?
CP: Nein, ich will einfach ankommen (lacht).
Und was kommt nach dem Ironman auf Hawaii?
CP: Erst einmal Urlaub. Wir verlängern unseren Aufenthalt auf der Insel noch um eine Woche und genießen einfach die Zeit. In Sachen Triathlon lege ich erst einmal eine Pause ein. Ich freue mich darauf, wieder Sportarten nachzugehen, die ich in den letzten Jahren vernachlässigt habe, zum Beispiel Skifahren in den Bergen und auch gänzlich neue Dinge auszuprobieren, wie Skitouren gehen.
Vielen Dank, dass Sie sich trotz der intensiven Vorbereitung die Zeit für das Gespräch genommen haben. Und am 6. Oktober wissen, wir was wir tun: Ihnen die Daumen halten!
CP: Ich sag‘ jetzt mal auf Hawaiianisch: „Mahalo!“ Das bedeutet Danke!
Quelle: MED-EL Elektromedizinische Geräte Deutschland GmbH

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