Im Notfall allein?Gehörlose und Schwerhörige haben ein generelles Problem: Bei Notfällen sind sie besonders hilflos. Ein Telefonat bei Notfällen - für Normalhörende eine Selbstverständlichkeit - ist nicht möglich. Wie können sich Hörgeschädigte aber bei Notfällen bemerkbar machen?

Notfall-Fax

Schon seit einiger Zeit gibt es das Notfall-Fax. Ein vorbereitetes Faxformular kann mit entsprechenden faxfähigen Geräten direkt an die Polizeidienststellen gesendet werden. Ein großes Manko ist allerdings, dass es keine einheitliche Notfallnummer, wie z. B. die bekannte 110, gibt. Seit Jahren wird daran gebastelt, aber bis heute ist immer noch keine Realisierung erfolgt. Für das Land NRW ist aber die 110 landes-weit gültig. Ein Notfall-Fax ist allerdings nur sehr begrenzt als Retter in der Not geeignet. Was ist, wenn ein Hörgeschädigter einen Autounfall erleidet?

Apps – mein Smartphone wird zu meiner privaten Notrufsäule – oder doch nicht?

Nur selten wird er ein Faxgerät dabei haben, aber fast immer ein Handy oder Smartphone. Da liegt es nahe, diese Geräte als Notfallmelder zu nutzen. Für Smartphones gibt es Apps wie Sand am Meer. Apps sind kleine Programme, die auf dem Smartphone installiert werden können und dann dort zusätzliche Funktionen oder Anwendungen ermöglichen. Wie sieht es mit Notfall-Apps für Hörgeschädigte aus?

KATWARN: Katastrophen-App

Katwarn ist ein smartphone-basiertes Katastrophenwarnsystem. Mittels Bildern, Symbolen und Textmeldungen werden die Nutzer ortsabhängig über Gefahren per App, SMS oder E-Mail unterrichtet. Die Meldung erfolgt mit Vibrationsalarm. Entwi-ckelt wurde die kostenlose App vom Fraunhofer Focus Institut. Es gibt sie für iOS, Android und Windows Smartphones in den entsprechenden App-Stores.
Katwarn bietet zusätzlich zu Sirenen und Rundfunkdurchsagen behördliche Informationen für Hörgeschädigte.
Die App erfasst den Standort des Nutzers, um Meldungen zum aktuellen Standort senden zu können. Die Standortübermittlung erfolgt anonym, ein Rückschluss auf die Person ist nicht möglich.
Zusätzlich zum standortbezogenen Schutzbereich (Schutzengel-Funktion) können bis zu sieben weitere Orte ausgewählt werden. Die Katwarn-App belastet den Akku des Smartphones nur geringfügig. Die energieeffiziente, zellenbasierte Ortung über Basisstationen und WLAN-Zugangspunkte (also nicht per GPS) sorgt dafür, dass die App nur aktiv wird, wenn der Nutzer den hellblauen Schutzbereich verlässt. Nicht jeder Betroffene hat diese App; deshalb können Warnungen auch über sozia-le Medien (z. B. Twitter) geteilt werden. Katwarn steht allen Bürgerinnen und Bür-gern kostenfrei zur Verfügung. System, technische Infrastruktur sowie Betrieb und Weiterentwicklung tragen die öffentlichen Versicherer.
Meldungen erfolgen z. B. bei Großbränden, Chemieunfällen und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (Katastrophenschutz). Unwetterwarnungen erfolgen über den Deutschen Wetterdienst (DWD). Daneben können auch staatliche und private Unternehmen Katwarn nutzen, um ihre Mitarbeiter und Kunden zu warnen. Voraussetzung für eine Warnmeldung ist natürlich die Anbindung der zuständigen Stellen. Eine Liste dieser Katwarn-Anwender befindet sich auf der Webseite http://www.katwarn.de/
Die App wird weiterentwickelt und es sollen neue Funktionen eingebaut werden. Als Warn-App ist diese App für Hörgeschädigte eine sehr gute Sache. Aber wie sieht es mit Notfallmeldungen aus?
Auf unsere Anfrage, in wieweit auch ein Notruf vom Nutzer gesendet werden kann, - denn erst dann wäre die Katastrophen-App auch eine Notfall-App -, erhielten wir folgende Informationen von Niklas Reinhardt, Fraunhofer FOKUS, Katwarn-Pressesprecher:
„Vorab in aller Kürze: ein Notruf ist derzeit nicht in Katwarn enthalten. Das Thema Rückmeldung über Katwarn - sei es als Notruf oder als Informationen von Betroffenen in einer Gefahrensituation an die Rettungskräfte - ist technisch in vielerlei Form machbar. Allerdings hängt daran eine Vielzahl von organisatorischen Fragen, die wir als Entwickler nicht entscheiden können. Wir sind daher in Projekten aktiv, wo passende Lösungen gemeinsam mit Katastrophenschützern entwickelt werden.
Vielleicht für Sie auch interessant, dass wir mit dem Landesverband Bayern der Ge-hörlosen dieses Jahr eine Testphase durchlaufen wollen, um systematisch zu erfassen, was gerade für diese Nutzergruppe an technischen Weiterentwicklungen von Katwarn sinnvoll wäre.“
Somit ist Katwarn vorerst nicht als Notfall-App nutzbar. Als Warn-App sollte sie aber von möglichst vielen Smartphone-Besitzern genutzt werden.

App des DSB

Der Deutsche Schwerhörigen Bund bietet eine kostenpflichtige App der Firma Pro-tegen an. Die App sendet Standortdaten und wenn möglich ein Foto an eine Not-rufzentrale in Gelsenkirchen. Von dort wird der Notruf an die entsprechenden Leitstellen von Feuerwehr oder Polizei weitergeleitet.
Als kostenpflichtige App (um 6 Euro) kann sie ebenfalls nicht als echte Notfall-App bezeichnet werden.

Polizei-App

Die Innenministerkonferenz vom 01.10.2014 befasste sich mit der Einführung einer Polizei-App; hierbei wurden verschiedene Aspekte geprüft. Eine einheitliche Poli-zei-App mit SOS-Funktion scheint hier in weiter Ferne. Die Publikation der Konferenz können Sie im Internet einsehen unter:
http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/14-12-11_12/anlage23.pdf?__blob=publicationFile&v=2

Warn-App des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)

Das BBK entwickelt eine eigene App für den Zivilschutz. Ähnlich wie Katwarn, sen-det auch diese App Warnmeldungen an Smartphones. Da die Entwicklung und der Unterhalt sehr teuer sind, wurden vom BBK auch die Länder und weitere Stellen mit ins Boot genommen. Die App ist nach Aussage des BBK auch mit einer SOS-Funktion versehen. Diese SOS-Funktion nutzt die Handyfunktionen und sendet im Bedarfsfall eine vorgefertigte SMS über eine Sendeliste. Die Sendeliste kann individuell eingerichtet werden und so können Freunde, Familie oder andere per SMS über den Notfall informiert werden. Ebenfalls werden die GEO-Daten, also der Standort, mit der SMS übermittelt. Eine Übermittlung an die Notrufnummern 110 o-der 112 ist nicht vorgesehen. Wenn aber die Nummer eines zuständigen Polizeireviers in der Sendeliste hinterlegt wird, kann diese natürlich ebenfalls die Meldung erhalten.
Doch auch diese BBK-App ist noch nicht für die Allgemeinheit freigegeben. Sie befindet sich in NRW im Teststadium.


HandHelp- App Berliner Firma App-Sec-Network UG

Die HandHelp-App ist aktuell für Smartphones mit dem Betriebssystem Android in der Version 4 verfügbar, weitere Betriebssysteme sollen in Kürze folgen. Ein einfacher „Knopfdruck“ löst den Notruf aus. Die App sendet den Notruf direkt an Polizei und Feuerwehr. Es werden ebenfalls die Standort-, Bild- und Tondaten mitgesendet und es können Angaben zum Notfall gemacht werden. Leider ist auch diese App nicht kostenlos. Es entstehen Kosten von ca. 2 Euro pro Monat.

Fazit:

Unglaublich, aber wahr: Eine funktionierende, kostenlose, bundesweite, einsatzfähige Notfall-App ist nicht zu finden. Bei etwa 15 Millionen Hörgeschädigten ist das schon fast als Skandal zu bezeichnen.

Peter G. A. Hölterhoff
aus der CIV News Ausgabe 1/15

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